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Axel Schweitzer, 1969 in Berlin geboren, führt als Vorstandsvorsitzender gemeinsam mit seinem Bruder Eric die Alba Group.

© Mike Wolff

ALBA-CHEF SCHWEITZER IM INTERVIEW: „Ich glaube an eine Welt ohne Abfall“

Axel Schweitzer, Vorstandschef der Alba Group, über die 50jährige Firmengeschichte, den Basketballclub und die Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern.

Herr Schweitzer, Sie sind gut ein Jahr jünger als Ihr Unternehmen, wie war die Kindheit im Start-up Ihrer Eltern?

In Familienunternehmen ist die Verbindung von Firma und Familie fließend. So war das bei uns auch. Das Unternehmen ist ja entstanden mit sehr viel Einsatz und Hingabe meiner Eltern. Dann werden Firmenthemen natürlich auch beim Abendbrot besprochen.

Wurden die Söhne auf die Übernahme der Firma vorbereitet?
Nicht in klassischer Art. Die Ansage unserer Eltern hieß: „Wir finanzieren Euch eine Ausbildung, aber auch nur eine. Also überlegt Euch gut, was Ihr macht.“ Und wenn es größere Wünsche gab, ob Fußball oder Fahrrad, musste man etwas dafür tun, zum Beispiel auf dem Lkw mitfahren oder beim Sortieren helfen. So haben wir in das Unternehmen reingeschnuppert und auch das Wertschätzen von Tätigkeiten gelernt, über die andere die Nase rümpften.

Sind Sie gehänselt worden als Sohn eines Müllwerkers?
Unsere Firma war ja damals noch nicht so bekannt wie heute. Aber Müllabfuhr war gesellschaftlich schon ziemlich weit unten angesiedelt. Kindern wurde gesagt: Wenn Du nicht ordentlich lernst, landest Du später bei der Müllabfuhr. Erst im Laufe der Zeit hat sich das verändert mit der Verbreitung des professionellen Recyclings.

Das war Anfang der 1970er Jahre.
Mein Vater hat damals die Getrenntsammlung eingeführt – für Papier, Glas, Kunststoff. Das wurde später als „Berliner Modell“ Vorbild und Blaupause für das Duale System, sprich: zusätzliche Sammlung von Verpackungen direkt neben den Hausmüllgefäßen.

Wie ist der Bauingenieur Franz Josef Schweitzer überhaupt auf die Idee mit dem Müll gekommen?
Meine Eltern wollten zur Einschulung der Kinder nicht mehr Projekte irgendwo in der Welt betreuen, sondern nach Deutschland zurückkommen. Mein Vater erkannte, dass die Entsorgung des Abfalls von großen Unternehmen oder Hotels nicht gut funktionierte. Hier setzte er an, führte Container ein und begann dann im nächsten Schritt mit der Mülltrennung. Und er war ehrgeizig, wollte jeden Tag einen Kunden gewinnen.

Woher stammt der Name Alba?
Damals war das Branchenbuch, die „Gelben Seiten“, das Maß aller Dinge in der gewerblichen Wirtschaft, und mit dem Namen Alba stand das Unternehmen ziemlich weit oben im Alphabet. Außerdem musste der Name kurz und einprägsam sein. Heute ist der Name ein großes Glück, weil Alba in mehreren Sprachen positiv besetzt ist, im Italienischen bedeutet es zum Beispiel Sonnenaufgang.

Wie waren die Marktbedingungen in den 1970er Jahren in West-Berlin?
West-Berlin war eingeschlossen und das Monopol für den Hausmüll hatte auch damals schon die BSR. Ein privates Unternehmen musste sich andere Geschäftsfelder suchen. Unser Vater hat in Kooperation mit Universitäten Hausmüllanalysen durchgeführt, um daraus zu lernen, welche Arten von Abfall in welcher Beschaffenheit es gibt und was sich damit machen lässt. Er stellte die ersten Sammelbehälter für Glas, Papier und Kunststoffe neben die Hausmülltonne und ging dann zu Papierfabriken und Glashütten und hat denen die vorsortierten Wertstoffe geliefert. Es entstand unser erstes Recyclingzentrum in Spandau, gefolgt von der ersten eigenen Kunststoffaufbereitung in Reinickendorf.

Und die Leute haben brav getrennt?
Man muss den Menschen zeigen, warum es Sinn macht und was mit den Wertstoffen passiert. Wir sind in Mieterbeiräte und Schulen gegangen oder auf Wochenmärkte, um aufzuklären.

Ihr Vater ist 1998 gestorben, als Sie 28 Jahre waren. Hatten Sie einen Lebensplan?
Ich hatte von früh an das Ziel, mir meinen Arbeitgeber aussuchen zu können. Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen in Berlin studiert und im Ausland meine Promotion geschrieben. Als ich 1995 nach Berlin zurückkam, fragte mich mein Vater, ob ich ins Unternehmen kommen und die Verantwortung übernehmen wolle für unsere Recyclinganlagen. In den Bereichen hatten wir rund 350 Mitarbeiter, hier war das meiste Kapital gebunden, die Ergebnisse waren allerdings eher dünn. Unter der Bedingung, dass ich selbstständig entscheide, habe ich das gemacht.

Viel Verantwortung für einen jungen Kerl.
Mein Vater hatte die Gabe, Raum zu geben. „Mach einen Fehler nicht zweimal, sonst ist das Blödheit“, mit diesem Rat ließ er meinen Bruder und mich machen. Ich hatte das Glück, noch einige Jahre mit meinem Vater zusammenarbeiten zu können. Nach seinem Tod hat sich dann für meinen Bruder und mich nie die Frage gestellt, ob wir das Unternehmen weiterführen oder nicht.

Durch das Duale System kam der Markt in den 1990er Jahren richtig in Schwung.
Die Einführung des Verursacherprinzips – der Produzent hat Verantwortung für Produkt und Verpackung – hat dazu geführt, dass Deutschland bis heute weltweit vorne steht bei Recyclingtechnologien. Die Alba Group ist weltweit führend in der Sortiertechnik. Weitere Meilensteine waren 2005 das Deponieverbot hierzulande und die Einführung der Grünen Kohle-Technologie – aus Restabfall gewinnen wir Sekundärrohstoffe, separieren Schadstoffe. Den Rest wandeln wir um in Ersatzbrennstoff für Kraftwerke.

Die Zeit der Finanzkrise um 2008 haben Sie als die schwierigste in der Firmengeschichte bezeichnet. Was war passiert?
Die Rohstoffpreise sind eng mit den Finanzmärkten verbunden. Kupfer zum Beispiel wurde vor der Krise ungefähr mit 6000 Euro die Tonne gehandelt. Innerhalb weniger Monate ging es runter auf 2000 Euro. Keiner kaufte mehr Rohstoffe, weil alle mit weiter sinkenden Preisen rechneten. Das war extrem, aber auch zum Teil vorhersehbar. Wir haben deshalb vor der Krise schon begonnen, unsere Unternehmen Interseroh und Alba stärker miteinander zu verzahnen.

Und auch in der Krise haben die Brüder an einem Strang gezogen?
Ja. Wir haben eine gemeinsame Zielrichtung und respektieren einander, sind als Persönlichkeiten aber auch ausreichend unterschiedlich. Inzwischen wissen wir natürlich ziemlich genau, wie der andere tickt und sind uns damit wechselseitig wichtige Sparringspartner.

Wer hatte die Idee mit dem Basketball?
Unser Vater. Die Partnerschaft begann vor 29 Jahren, als die BG Charlottenburg in die Playoffs kam. Für die Auswärtsfahrten fehlte denen das Geld, es ging um 20 000 D-Mark. Der Mannschaftsarzt der BG hatte Vater angesprochen und der hatte zugesagt. Als er das zu Hause erzählte, haben wir alle protestiert. Er hat das Geld trotzdem gegeben, und der Club kam ins Finale, das im fünften Spiel knapp verloren wurde. Jetzt war aber die Motivation da, voll einzusteigen und Deutscher Meister werden zu wollen.

Aus BG Charlottenburg wurde so Alba?
Es gab einige Bedingungen meines Vaters. Der Club sollte geführt werden wie ein Unternehmen, also professionell und ohne persönliche Eitelkeiten, die es oft in Vereinen gibt. Dies haben Dieter Hauert und Marco Baldi übernommen und hervorragend gemeistert. Zum Zweiten sollte die Nachwuchsarbeit in der Breite forciert werden und zum Dritten der Name Alba Vereinsname werden. Als Alba Berlin gingen wir dann in die nächste Saison. Heute ist Alba die bedeutendste Basketballmarke und der erfolgreichste Basketballverein in Deutschland der letzten fast drei Dekaden.

Und Sie sind Vereinspräsident.
Der Sport ist mir wichtig. Ich glaube an die Funktion von Sport in der Gesellschaft zum Beispiel für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Wir sind sehr intensiv in Schulen und Brennpunktbezirken engagiert, unter anderem mit mehr als 120 Trainern. Sport vermittelt Toleranz und Teamgeist, und im Sport lässt sich erleben, wie man sich mit Fleiß und Training verbessern kann.

Das Müllgeschäft muss profitabel sein, wenn sich Alba fast drei Jahrzehnte einen Spitzenverein leisten kann.
Es gab von meinem Vater die Vorgabe, dass der Verein nicht abhängig sein darf von einem einzelnen Sponsor. Der Anteil unseres Unternehmens am Etat des Vereins ist deshalb begrenzt. Alba Berlin hat das Ziel, eine Institution zu sein, die auch finanziell unabhängig agiert. In Europa sind wir damit Vorbild und vielfach dafür ausgezeichnet worden.

Sie haben ein Expertenvisum für China, in Hongkong unterhalten Sie seit Jahren einen Zweitwohnsitz. Wie schaffen Sie das: Vorstandsvorsitzender der Alba Group, Präsident der Basketballer und Geschäftspartner von chinesischen Unternehmen?
Disziplin, Organisation und ein tolles professionelles und engagiertes Team sind dafür sehr wichtig.

Woher stammt die Affinität für China?
Mitte der 1990er Jahre war ich Mitglied einer Regierungsdelegation. Damals begann unser Unternehmen, Sekundärrohstoffe in China zu vermarkten. Das Land habe ich immer wieder bereist und überwiegend sehr positive Erfahrungen gemacht. Mit der Veröffentlichung des 12. Fünfjahresplanes 2011 kam in China das Thema Umwelt und Umwelttechnologien auf der Agenda nach oben. Damit begann auch eine Zusammenarbeit zwischen der staatlichen Planungsbehörde und unserem Unternehmen.

Inzwischen betreibt Alba Recyclinganlagen mit chinesischen Partnern, und Sie haben 60 Prozent des Chinageschäfts sowie des deutschen Dienstleistungsgeschäfts an die Familie Deng verkauft. Haben Sie keine Angst vor dem Technologietransfer?
In meiner subjektiven Wahrnehmung ist das Bild der chinesischen Technologieräuber, welches gerade in Europa vorherrscht, falsch. Wir teilen unser Know-how mit unseren Partnern, entwickeln es weiter und wenden das in Projekten an. Für uns ist dieses Modell erfolgreich.

In einer Woche wird das Unternehmen 50. Wie geht es weiter, was passiert in den nächsten Jahren?
Uns beschäftigt sehr der Trend zur Digitalisierung gerade in unserem deutschen Kerngeschäft, von intelligenten Müllbehältern bis zu autonom fahrenden Lkw. Darüber hinaus glaube ich an eine Welt ohne Abfall, wenn mit intelligenten Lösungen Abfälle gänzlich vermieden werden und Wertstoffe im Materialkreislauf unterwegs sind. Beispielsweise haben wir für einen großen Discounter eine klappbare Kunststoffkiste aus unserem eigenen Recycling-Kunststoff entwickelt, mit der im Verlauf von einigen Jahren mehr als 400 Millionen Pappkartons gespart werden konnten.

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