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Eine Auszubildende zum Schweißer.

© dpa

Ausbildung: Berliner Betrieben fehlen 5700 Azubis

Die Ausbildung muss attraktiver werden. Die IHK fordert daher, das Azubi-Gehalt nicht länger mit Hartz-IV-Ansprüchen der Familie zu verrechnen.

Zwei Wochen nach Beginn des neuen Ausbildungsjahres sind in Berlin mehr als 5700 Plätze unbesetzt. „Die Wertschätzung der dualen Ausbildung ist noch sehr steigerungsfähig“, sagte IHK-Präsidentin Beatrice Kramm am Mittwochmorgen. „Es gibt zu wenig Jugendliche, die sie machen wollen.“ Warum die Schulabsolventen keine Lust auf die Arbeit in einer Hotelküche oder einer Werkstatt haben, konnte sie nicht erklären. Eine Begründung lautete: Ihnen stehen alle Möglichkeiten offen.

Die Jugendlichen können zum Beispiel ebenso gut eine vollschulische Ausbildung an einem Oberstufenzentrum machen, was sie zum Leid der Betriebe auch tun. In einer Klasse sitzen, einem Lehrer zuhören, das ist ihnen vertraut. Klingt weniger anstrengend, als zu tun, was der Chef von einem will. Die Konsequenz ist aber, dass die Plätze für angehende Büromanagement-Kaufleute am OSZ seit dem Sommer voll belegt sind, während Unternehmen in dem Bereich suchen. „Die Betriebe müssen aber Vorrang haben“, sagte Kramm. Am besten müssten in den Zentren so viele Plätze gestrichen werden, wie sie in Betrieben offen sind.

Neben Geschäftsinhabern suchen vor allem Gaststättenbetreiber und Zahntechniker dringend Nachwuchs. In diesem Jahr wurden in Berlin 15 553 Lehrstellen angeboten. Gleichzeitig bewarben sich 6773 Jugendliche ohne Erfolg. Das waren sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Jeder Zehnte, der eine Lehre machen will, hat inzwischen einen Fluchthintergrund.

Schüler vorgestellt, die er sonst abgelehnt hätte

Seit einem Jahr gibt es mit dem Berliner Ausbildungsmodell (BAM) ein neues Projekt zur Linderung der Azubi-Not. Es richtet sich an Jugendliche, die trotz mehrfacher Bewerbungsversuche keinen Platz gefunden haben. Ein Bildungsberater am OSZ hilft bei der Vermittlung und begleitet den Jugendlichen während eines Probejahrs im Betrieb. In der Zeit können Chef und Azubi schauen, ob es miteinander klappt. Geld gibt es nicht.

Einer, der so zwei Azubis gefunden hat, ist Jürgen Kling. Er ist Geschäftsführer von Payroll Services, ein Dienstleister, der die Lohnabrechnung von Komparsen, Kleindarstellern und Synchronsprechern übernimmt. „Früher hatten wir einen Stapel von Bewerbungen“, sagte er. „Jetzt ist da nix.“ Er musste sich auch schon von einem Lehrling verabschieden, weil dem die Aufgaben zu öde waren. „Auch in der Medienbranche ist Buchhaltung nicht immer sexy“, sagte Kling.

Ihm wurden zwei Schüler vorgestellt, die er sonst abgelehnt hätte. Nach acht Monaten hat er beide als Azubis zufrieden übernommen. Insgesamt haben in Berlin 87 Jugendliche an dem Programm teilgenommen, von denen jetzt rund 50 ausgebildet werden. Derzeit werden 161 Plätze angeboten.

Um die duale Ausbildung attraktiver zu machen, fordert die IHK zudem, das Azubi-Gehalt nicht länger mit eventuellen Hartz-IV-Ansprüchen der Familie zu verrechnen. „Die dazu notwendigen Gesetzesänderungen können nur auf Bundesebene erfolgen“, sagte Kramm. „Deshalb bitten wir den Senat von Berlin, hier im Rahmen einer Bundesratsinitiative tätig zu werden.“ Marie Rövekamp

Last-Minute-Azubibörse  am 19. und 20. September in der Station in Schöneberg

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