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Wirtschaft: Besser als ihr Ruf

Viele Betriebe haben noch freie Lehrstellen zu besetzen. Nur: Die Bewerber bleiben aus. In einigen Branchen gibt es echte Nachwuchssorgen. Wir stellen drei spannende Berufe vor.

Es ist wie in der Mode: Trends bestimmen auch bei der Ausbildungsplatzwahl, für welchen Beruf sich Jugendliche entscheiden. Derzeitiger Renner: Mechatroniker. Gerd Woweries, Bereichsleiter Ausbildung der IHK Berlin, warnt jedoch davor, einen Beruf nach einem Trend zu wählen. „Jugendliche sollten sich fragen, wo ihre Interessen liegen und auch die eigenen Fähigkeiten und Talente realistisch einschätzen lernen.“ Sonst findet die Traumausbildung ein schnelles Ende und Frustration macht sich breit – beim Auszubildenden sowie beim Betrieb.

Während der Mechatroniker der Star der Ausbildungscharts bleibt, gibt es auch Ausbildungsberufe, die ein Schattendasein fristen. Immer mehr Betriebe in Berlin klagen darüber, dass sie ihre Lehrstellen nicht besetzen können. „Gerade Gastronomie und Hotellerie leiden unter einem Ruf, für den einzelne schwarze Schafe der Branche sorgen, leider“, sagt Woweries. So werde das Bild der Branche durch Berichte von ausgebeuteten Azubis geprägt. „Dabei tut die Branche sehr viel“, bestätigt Woweries. Die Qualität der Ausbildung sei deutlich besser geworden als noch vor Jahren.



DIE HOTELLERIE

Eine gute Ausbildung ihrer Lehrlinge ist für das Hotel Concorde in Berlin sehr wichtig, Andreas Günther, Personaldirektor, kann den vermeintlich schlechten Ruf der Branche nicht bestätigen: „Es gibt viele Jugendliche, die sich vor Ort bei uns ein Bild vom Beruf des Hotelfachmanns machen, sei es durch Schnuppertage oder Praktika.“ Für ihn steht fest: „Es gibt kaum eine vielseitigere Tätigkeit als die der Hotelfachleute: Service am Gast, ob im Restaurant oder an der Bar, administrative Aufgaben wie Einkauf, Rechnungen und Reservierungen, aber auch das Housekeeping gehören dazu.“ Die Chancen im Hotelfach sind nach der Ausbildung gut: „Fachkräfte werden gesucht – und zwar händeringend. Gerade in einer Stadt wie Berlin, für die der Tourismus ein wichtiges Standbein ist.“ Wer in der Hotellerie arbeiten möchte, sollte offen auf Menschen zugehen können, diskret sein, zudem sind Englischkenntnisse wichtig. Das Abitur ist wünschenswert, man hat jedoch auch mit einem guten Realschulzeugnis Chancen. „Leidenschaft für den Beruf ist zwar wichtiger als gute Noten“, so der Personaldirektor, „doch leider stellen wir immer wieder fest, dass das Bildungsniveau allgemein sinkt.“ 32 Azubis beschäftigt das Hotel, zum 1. August 2013 ist noch eine Stelle zum Hotelfachmann/-frau sowie zwei Stellen zum Koch/ Köchin zu besetzen.

MEDIENTECHNOLOGEN

Doch nicht nur negative Berichterstattung kann einen Ausbildungsberuf ins Abseits spielen, Verwirrung stiftet auch die Änderung von Berufsbezeichnungen, etwa im Zuge einer Modernisierung. Ein typischer Fall ist der „Drucker“. Medientechnologe/-in Druck“ lautet der Ausbildungsberuf, den Alexandra-Ellie Runge lernt. „Aber wenn die Leute Medientechnologe hören, dann können sich die wenigsten etwas darunter vorstellen“, so die 22-Jährige. Sie hat sich daran gewöhnt, zu erklären, was genau sie lernt. Facettenreich sei ihre Aufgabe: Dazu gehöre die Bearbeitung von Druckvorlagen und Dateien, genauso wie die Kundenberatung und Auftragserfassung und natürlich auch die Technik rund um den Offsetdruck.

„Ich habe viel zum Thema recherchiert, ansonsten würde es mir wohl wie den meisten ergehen.“ So fand sie auch den richtigen Ausbildungsbetrieb für sich: das Berliner Familienunternehmen „Sprintout“, das mittlerweile 80 Angestellte hat. „Wir Azubis kennen alle Arbeitsschritte und bekommen Verantwortung zugewiesen. Aber es steht auch immer jemand an unserer Seite, der im Notfall hilft.“ Sie fühlt sich wohl im Betrieb, sieht gelassen der Zukunft entgegen. „Ich bin im zweiten Lehrjahr und habe gute Chancen übernommen zu werden“. Elf Azubis sind derzeit bei Sprintout tätig. „Für uns ist die Ausbildung unserer Fachkräfte ein ganz wichtiges Standbein“, so die Sprintout Geschäftsführerin Martina Köhler. Als Medientechnologe hat man zudem gute Chancen sich weiterzubilden, denn die Branche sucht Fachkräfte. „Wer sich für den Beruf interessiert, sollte Spaß an der PC-Arbeit mitbringen“, so Martina Köhler.

DAS HANDWERK

397 freie Lehrstellen finden sich derzeit in der Lehrstellenbörse der Handwerkskammer Berlin. „Und das sind nur die Betriebe, die sich direkt an uns wenden“, erklärt Katharina Schumann, Referatsleiterin Bildungsberatung. Gerade im Handwerk kämpfen Betriebe um Lehrlinge. „Viele Jugendliche setzen verstärkt auf den schulischen Werdegang, der sie für ein Studium qualifiziert“, so Schumann. Für viele sei daher nicht das Ziel, eine Lehrstelle zu finden, sondern die nächste weiterbildende Schule zu besuchen.

Auch im Handwerk kämpfen viele Interessenten mit den Berufsbezeichnungen. Bäcker und Bootsbauer erklären sich von selbst, doch was genau etwa steckt hinter dem „Anlagemechaniker für Sanitär-, Klima- und Heizungstechnik“? Auf jeden Fall ein Beruf, dem viele Vorurteile entgegengebracht werden, denn der Begriff „Sanitär“ sei wenig beliebt.

Matthias Frankenstein, Geschäftsführer der Mercedöl Feuerungsbau-GmbH, bildet in seinem Betrieb Anlagemechaniker aus und kennt die Berührungsängste: „Viele denken an verstopfte Toiletten. Doch das Berufsbild des Anlagemechanikers und der Anlagenmechatronikers hat sich in den letzten zehn Jahren sehr verändert“, bestätigt er. Solar- und Heizungsanlagen, aber auch Innovationen im Badbereich erfordern ein hohes Verständnis rund um Elektronik: Der Computer macht auch vor dem Sanitärbereich nicht Halt. „Freude fürs Handwerk, die Bereitschaft, früh aufzustehen und Interesse an Technik sollten angehende Lehrlinge mitbringen“, so Matthias Frankenstein.

Der Lehrberuf sei dabei keine Männerdomäne: „Wir bilden auch Anlagemechanikerinnen aus. Eine unserer Azubis hat gerade ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen.“ Die Übernahmechancen sind sehr gut, die Branche braucht Fachkräfte: „Wir bilden unseren Nachwuchs selbst aus und sind daran interessiert, die Auszubildenden im Betrieb zu halten, wenn sie die nötigen Leistungen erbringen.“ Vier freie Stellen im Bereich der Anlagenmechanik sind noch bis zum 1.9.2013 zu besetzen bei Mercedöl.

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