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Selbstgewählte Pausenzeiten sind ein Baustein für eine bessere Mitarbeitergesundheit.

© imago/Westend61

Betriebliches Gesundheitsmanagement: Prävention zahlt sich aus

Unternehmen, die sich um das Wohlbefinden ihrer Beschäftigten kümmern, sparen auf lange Sicht viel Geld.

Diese Zahlen schrecken Chefs und Krankenkassen auf. Laut einem aktuellen Gesundheitsbericht fallen Mitarbeiter in Berlin und Brandenburg im Job jedes Jahr durchschnittlich rund 18 Tage aus. Hochgerechnet auf alle Erwerbstätigen in der Region sind das etwa 36 Millionen Fehltage. Fällt ein Mitarbeiter im Job aus, hat das gravierende Folgen. Nicht nur für die eigentliche Arbeit, die ein anderer Kollege übernehmen muss, sondern für das gesamte Unternehmen. Der Produktionsausfall kostet die Firmen richtig viel Geld. Experten gehen von mehr als drei Milliarden Euro an Kosten pro Jahr aus.

Der Arbeitsdruck hat in vielen Jobs zugenommen. Hinzu kommt, dass es in vielen Betrieben deutlich mehr ältere Beschäftigte gibt. Das betriebliche Gesundheitsmanagement haben die Unternehmen zwar auf ihrer Agenda. „Doch es wird noch nicht genug getan“, sagt Anette Wahl-Wachendorf, Vizepräsidentin des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte. Während große Unternehmen oft schon ganze Abteilungen mit dem Thema beschäftigen, haben kleine und mittlere Betriebe oft keine eindeutigen Pläne, wie sie sich verstärkt um die Gesundheit ihrer Beschäftigten kümmern können. „Das ist eine Aufgabe für die Führungsetage“, sagt Wahl-Wachendorf.

Die häufigsten Leiden bei Berufstätigen sind Rückenschmerzen und Bandscheibenvorfälle. Darauf folgen Erkrankungen der Atemwege; darunter fallen etwa auch typische Erkältungen. An dritter Stelle stehen klassische Burn-out Symptome. Überforderung und Überlastung am Arbeitsplatz lässt viele Mitarbeiter krank werden. Hier entstehen auch die meisten Fehlzeiten. Im Schnitt können Beschäftigte rund 30 Tage und länger nicht arbeiten, da sie ausgebrannt sind oder unter Depressionen leiden. Besonders häufig fehlen Angestellte laut Statistik in der öffentlichen Verwaltung oder im Gesundheits- und Sozialwesen.

Die Mitarbeiter fragen, wo der Schuh drückt

Die Ansätze für Hilfsmaßnahmen sind simpel. Die Betriebsärzte geben den Chefs erste Hinweise, wo es eine Gefährdungslage für die Mitarbeiter gibt. Manchmal reicht es aus, an der Menü-Auswahl in der Kantine etwas zu ändern oder einen genaueren Blick auf die Arbeitsplätze der Beschäftigten zu werfen. In anderen Fällen bietet sich eine Mitarbeiterbefragung an, um herauszufinden, was die Menschen im Betrieb bedrückt.

„Betriebliches Gesundheitsmanagement bedeutet nicht zwangsläufig, aufwendige Raucherentwöhnungs-Programme oder die Rückenschule anzubieten“, sagt Wahl-Wachendorf. „Prävention muss nicht teuer sein. Wichtig ist, die Mitarbeiter ins Boot zu holen.“ Sie plädiert dafür, ihnen besser zuzuhören. Schließlich wissen die Beschäftigten selbst ganz genau, welche Bedingungen ihnen die Arbeit erschweren.

„Gesundheitsförderung sollte mit einer gewissen Regelhaftigkeit betrieben werden,“ sagt Jörg Marschall, Projektleiter Arbeitswelt und Demografie beim Forschungsinstitut IGES. Für die Betriebe gebe es viele Ansatzpunkte. Dazu zählen etwa gesunde Ernährung, mehr Bewegung oder eine verbesserte Arbeitsumgebung. Leiden die Mitarbeiter verstärkt unter psychischen Belastungen, sollte die Chefetage prüfen, ob ausreichend Erholungsmöglichkeiten gegeben sind. „Die Mitarbeiter sollten nicht nur dann Pause machen können, wenn es gerade in die betrieblichen Abläufe passt.“ Stattdessen müssten Pausenzeiten sich an den Bedürfnissen der Mitarbeiter ausrichten, sagt Marschall.

Bei Terminen für Meetings an Beschäftigte mit Kindern denken

Auch eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördert die Gesundheit der Belegschaft. Chefs, die darauf achten, dass Sitzungen von Mitarbeitern mit Kindern innerhalb von Schul- oder Kitazeiten stattfinden und nicht früh morgens oder spät abends, nehmen viel Stress aus dem Elternalltag heraus. Und wer weniger gestresst ist, bleibt eher gesund.

Die Grundlage für ein erfolgreiches betriebliches Gesundheitsmanagement ist ein gutes Arbeitsklima. Vertrauen Arbeitnehmer ihrem Chef, sind sie zufriedener im Job und damit auch leistungsfähiger. Auch Wissenschaftler Jörg Marschall bestätigt, dass Gesundheitsförderung nicht teuer sein muss. Zudem müssen sich die Krankenkassen zu einem erheblichen Teil an den Kosten beteiligen. Wenn größere Umbauten, etwa von industriellen Arbeitsplätzen, anstehen oder ergonomische Stühle und höhenverstellbare Schreibtische für Angestellte im Büro angeschafft werden sollen, sind damit Kosten verbunden. Die Investition lohnt sich aber. „Man sollte sich immer fragen, was es kostet, wenn man nichts tut“, sagt Marschall. Ein hoher Krankenstand, unmotivierte Mitarbeiter oder eine hohe Fluktuation in der Belegschaft können für Unternehmen sehr teuer werden.

Das Thema Gesundheitsvorsorge wird die Betriebe in den kommenden Jahren noch stärker treffen als bisher. Davon ist Ärztin Wahl-Wachendorf überzeugt. Die Mitarbeiter werden immer älter, und mit dem Alter macht sich die Belastung im Job auch körperlich stärker bemerkbar. Vor allem den gewerblichen Bereich wird es hart treffen, aber auch akademische Berufe. Der demografische Wandel macht vor keiner Branche halt.

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