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Busse des Unternehmens Flixbus stehen am Hauptbahnhof in Frankfurt am Main.

© Arne Dedert/dpa

Update

Bahn-Konkurrent kritisiert Einseitigkeit: Flixbus will gegen Mehrwertsteuersenkung im Schienenverkehr klagen

Die Bahn soll mit dem Klimapaket um Milliarden entlastet werden. Wettbewerber sehen sich dadurch benachteiligt. Der Streit könnte die Preissenkung verzögern.

Einer der großen Gewinner des Klimapakets der Bundesregierung ist die Deutsche Bahn. Sie bekommt Milliardenhilfen; zudem soll es Steuererleichterungen geben. Was den Kunden und möglicherweise auch das Klima freuen dürfte, stößt bei Wettbewerbern der Bahn auf Kritik. Das Fernbusunternehmen Flixbus hat deshalb nun angekündigt, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die geplante Senkung der Mehrwertsteuer im Schienenverkehr zu klagen.

Zudem kündigte das Münchner Unternehmen eine Beschwerde bei der EU-Kommission an. „Wir sind davon überzeugt, dass eine einseitige Mehrwertsteuersenkung für die Bahn, also ohne den umweltfreundlicheren Fernbus zu berücksichtigen, rechtlich nicht erlaubt ist“, sagte Flixbus-Gründer André Schwämmlein der Deutschen Presse-Agentur. Ein vom Unternehmen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass die geplante Maßnahme gegen den von der EU festgelegten Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoße.

Flixbus sieht sich als direkten Konkurrenten der Bahn. Bei günstigeren Preisen des Wettbewerbers müsste auch Flixbus nachziehen, profitiere dabei aber nicht von geringeren Steuern. „Vor allem bei den Sparpreisen der Deutschen Bahn werden viele Kunden genau hinschauen, wenn diese noch günstiger werden, und sich vielleicht sagen: „Ich fahre ICE““, sagte Schwämmlein.

Das Klimapaket besagt, dass ab Januar auf Fernverkehr-Tickets der Bahn wie im Nahverkehr auch nur noch 7 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden, bisher waren es 19 Prozent. Die Deutsche Bahn hat angekündigt, diesen Vorteil vollständig an Kunden weiterzureichen. Damit würden Tickets rund zehn Prozent günstiger. Das soll mehr Bürger dazu bringen, vom Auto oder dem Flugzeug auf die Bahn umzusteigen. Klage und Beschwerde will Flixbus einreichen, sobald das Gesetz in der aktuellen Form in Kraft tritt.

Günstige Tickets könnten erst später kommen

Für Kunden könnte das bedeuten, dass sie womöglich länger als angekündigt auf günstigere Tickets im Fernverkehr warten müssen. Denn auch der Verband der Fern- und Reisebus-Anbieter BDO hat nach Informationen unserer Redaktion ein Rechtsgutachten an die zuständigen Politiker verschickt, wonach eine einseitige Steuersenkung nur bei der Bahn ein Verstoß gegen das Grundgesetz und europäisches Recht wäre.

Im Bundesrat wird sich Bayern für eine Änderung stark machen. Man werde sich dafür einsetzen, dass auch der Fernbus-Linienverkehr die Ermäßigung auf sieben Prozent erhalte, sagte ein Sprecher von Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) Tagesspiegel Background. In München hat mit Flix Mobility das größte Fernbus-Unternehmen Europas seine Zentrale, dem gute Kontakte zur Landesregierung von Ministerpräsident Markus Söder und zu Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (beide CSU) nachgesagt werden.

Zwischen der Bahn und den Fernbussen gibt es heftigen Preiswettbewerb. Die grünen Flixbusse haben in wenigen Jahren mit zahlreichen Direktverbindungen und oft günstigen Online-Tickets den Markt erobert. Nun sieht das Unternehmen seinen Erfolg durch die Politik gefährdet. „Käme die Steuersenkung tatsächlich nur für die Bahn, müssten wir unser Fernbusnetz um rund 30 Prozent einschränken“, sagte Sprecher Martin Mangiapia Background. Der Wettbewerbsvorteil der Bahn würde in diesem Fall zu groß, warnt Flixbus. Betroffen von möglichen Einstellungen wären demnach vor allem weniger frequentierte Linien. Konkret nennt Mangiapia drohende Einschränkungen der Fernbus-Verbindungen an die Küsten oder in touristische Gebiete im Erzgebirge, im Harz und in den Voralpen.

CO2-Werte sollen bei Bus und Bahn ähnlich sein

Das bisher nicht veröffentlichte Rechtsgutachten für den BDO liegt Tagesspiegel Background vor. Darin kommen der Verfassungsjurist Wolfgang Ewer aus Kiel und sein Kollege Tobias Thienel zum Ergebnis, dass eine einseitige Senkung der Mehrwertsteuer und die von der Regierung beabsichtigte Regelung mit dem Grundgesetz „nicht vereinbar ist“. Alle Umsätze müssten vom Gesetzgeber gleich besteuert werden, für Ausnahmen brauche es mindestens einen nachvollziehbaren Grund.

Daran fehle es aber, betonen die Juristen. Aus der Absicht, klimafreundliche Verkehrsmittel zu fördern, ergebe sich kein einleuchtender Grund, den Linienverkehr mit Fernbussen und den Fernverkehr der Bahn unterschiedlich zu behandeln. Bei der CO2-Belastung hätten beide ähnlich gute Werte, bei der Netzabdeckung liege der Fernbus mit rund 500 Haltestellen sogar weit vor der Bahn mit ihren rund 300 Fernzugstationen.

Wettbewerber der Bahn fühlen sich vom Klimapaket der Bundesregierung unfair behandelt.

© dpa

Auch mit dem EU-Recht sei der Gesetzentwurf aus dem Haus von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) „nicht vereinbar“, so das Gutachten. Denn Dienstleistungen, die im Wettbewerb stehen, dürften im gemeinsamen Markt nicht steuerlich ungleich behandelt werden. Das habe der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu ermäßigten Umsatzsteuersätzen so entschieden. Im Ergebnis könnten daher die Anbieter von Fernbussen eine Verfassungsbeschwerde gegen das geplante Gesetz erheben. Zudem könnte die EU-Kommission wegen Verletzung des Unionsrechts tätig werden.     

Die Bundesregierung will das Gesetzgebungsverfahren zur Umsatzsteuersenkung im Schnelldurchgang durchziehen. Der Koalitionsausschuss von Union und SPD hat vereinbart, dass Bundestag und Bundesrat parallel noch in dieser Woche den ersten Entwurf beraten sollen. Falls Bayern und die CSU auf der Gleichbehandlung von Bahn und Fernbus bestehen und die Regierung nicht einlenkt, könnte sich das Verfahren verzögern. 

Auch die Busbranche in Baden-Württemberg setzt auf Unterstützung der Politik. „Wir hoffen, dass sich die Landesregierung für die Gleichbehandlung von Bus und Bahn zugunsten unserer mittelständischen Unternehmen stark macht“, sagte Witgar Weber, Geschäftsführer des Busverbands WBO. Neben den Fernbussen würde auch der Reise- und Ausflugsverkehr mit Bussen bei einer einseitigen Steuersenkung benachteiligt, warnt Weber. Schon jetzt stehe man gerade bei Gruppenreisen in starkem Wettbewerb mit der Schiene. Bisher habe die Landesregierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) seine Briefe nicht beantwortet. (mit dpa)

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