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Allein gegen den Markt. An sehr schwachen Börsentagen können ETF-Anleger tiefer fallen als der Aktienmarkt.

© dpa

Geld anlegen, Kosten sparen: ETF sind einfach komplizierte Anlageprodukte

ETF sind kostengünstige, transparente Anlageprodukte. Allein in Deutschland wurden 350 Milliarden Euro darin angelegt. Aber sie bergen auch Risiken

Drei Billionen Dollar stecken in drei Buchstaben: ETFs. Die Abkürzung steht für Exchange Traded Funds und meint Fonds, über deren Zusammensetzung kein Fondsmanager entscheidet, sondern nur der Markt. ETFs investieren passiv und direkt in jeden erdenklichen Index und Teilindex, setzen dabei je nach Papier auf Aktien, Strategien, Währungen, Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Rohstoffe. Beteiligen kann sich der Anleger mithilfe von ETFs nicht nur an klassischen Leitindizes wie Dax oder Euro- Stoxx 50, sondern beispielsweise auch an einzelnen Schwellenländern, Aktien mit hohen Dividenden, Immobilienmärkten oder an der Wald- und Holzwirtschaft. An der deutschen Börse sind aktuell 1092 verschiedene ETFs gelistet, in denen Ende Juli insgesamt 350 Milliarden Euro angelegt waren.

Anders als in den USA ist der Anteil von Privatanlegern am Markt noch gering: Nur fünf Prozent des Handelsvolumens und etwa ein Drittel aller Transaktionen werden derzeit von Privatanlegern abgewickelt. Zusammenhängen könnte dies mit der Tatsache, dass nur wenige Banken ihren Kunden aktiv zum Kauf von ETFs raten. Denn die Produkte werfen im Vertrieb kaum Provisionen ab. Für den Kunden hat dies Vorteile: ETFs sind im Vergleich zu Aktien sehr günstig. Der Kunde zahlt einen meist sehr geringen Spread (also einen Preisunterschied zwischen Kauf- und Verkaufswert), hinzu kommt wie bei Aktien eine Kaufgebühr an der Börse.

Ausgabekosten drücken Rendite

Ein normaler Aktienfonds wird hingegen meist mit einem Ausgabeaufschlag von drei bis sechs Prozent verkauft. Das bedeutet, dass der Kaufkurs um diesen Prozentsatz über dem Verkaufskurs liegt, was als Provision direkt an den Vertrieb geht. Zusätzlich ziehen die Anbieter jedes Jahr einen gewissen Prozentsatz (meist 1,5 bis 2,5 Prozent) als Managementgebühr aus dem Fondsvermögen ab. Passive Produkte hingegen kosten oft kaum mehr als 0,1 bis 0,2 Prozent, bei komplexeren Indizes können es auch mal 0,6 bis 0,8 Prozent sein. Im Schnitt liegt der Spread bei ETFs derzeit bei 0,41 Prozent.

Wer beispielsweise jeden Monat 100 Euro in einen Fonds einzahlt, der 5,2 Prozent pro Jahr erwirtschaftet sowie fünf Prozent Ausgabeausschlag und 1,5 Prozent Managementgebühr pro Jahr kassiert, hat nach 30 Jahren ein Guthaben von 61 663 Euro. Reduziert sich der Ausgabeaufschlag auf null und die Managementgebühr auf 0,2 Prozent, so sind es gut 20 000 Euro mehr, nämlich 81 737 Euro, bei gleichen Einzahlungen und gleicher jährlicher Rendite.

Die niedrigen Kosten sind ein Hauptgrund dafür, dass ETFs immer mehr Investoren anziehen. Marktexperten wissen, dass es aktiven Fondsmanagern ohnehin fast nie gelingt, den Index zu schlagen, an dem sie sich orientieren. Dies liegt nicht nur an den hohen Kosten aktiver Produkte, sondern auch daran, dass gerade in sehr großen Kernmärkten kein Manager einen Informationsvorteil besitzt und Aktien oder Anleihen zu einem günstigeren Kurs kaufen oder verkaufen und höhere Gewinne als der Gesamtmarkt erzielen könnte. Die Folge: Je nach Studien, Zeitraum und Anlageobjekt schlagen zwischen 80 und 100 Prozent der ETFs ihre aktiven Konkurrenten bei der Rendite.

Synthetik oder Reales

Anleger müssen sich entscheiden: Investieren sie in ETFs, die den Index synthetisch abbilden – oder in ETFs, die ihn real replizieren? Das bedeutet: ETFs mit synthetischem System kaufen Swaps, das ist eine Art Gegengeschäft mit einer Bank, die dem ETF-Anbieter die Wertentwicklung des Index garantiert. Synthetische ETFs investieren also nicht direkt in die Aktien eines Index, sondern bilden dessen Wertentwicklung nur künstlich ab. Im Fonds ist also nicht drin, was draufsteht. Weil immer mehr Anleger das Natürliche dem Synthetischen vorziehen, wechselten auch immer mehr ETF-Anbieter das Lager und stellten auf volle Replizierung um, zuletzt zum Beispiel die ETF-Tochter der Deutschen Bank, db x-trackers. Auch die beiden anderen großen ETF-Anbieter, ishares (US-Vermögensverwalter Blackrock) und Lyxor (Société Générale) setzen auf die physische Abbildung des Index. Die drei Marktführer dominieren den Markt: 269 der 350 investierten Milliarden liegen in ihren ETFs.

Dass ETFs so günstig, erfolgreich und rasch handelbar sind, hat vor allem kundige Privatanleger investieren lassen. Direktbanken, die ohnehin meist nicht die Beratung am Schalter bieten, haben reihenweise Sparpläne mit ETFs aufgelegt, eine Art automatisierter Mini-Vermögensverwaltung auf Basis passiver Produkte. Einige bieten sogar Riester-Sparen mit ETFs an.

Doch es wird auch immer öfter über Schwächen dieser Produkte diskutiert. Ein zusätzliches Risiko etwa erkennen Kritiker in der Tatsache, dass fast alle ETF-Anbieter die in den Fonds liegenden Papiere gelegentlich verleihen: bis zu zehn Prozent des Portfolios gehen so an andere Marktteilnehmer, etwa Leerverkäufer. Diese verkaufen in stark fallenden Märkten die geliehenen Papiere „leer“ und hoffen, sie dann billiger zurückkaufen und an den Verleiher mit Gewinn zurückgeben zu können. Zwar versichern die Anbieter, dass der Verleih die Renditen erhöhe und dass etwa im Fall von Marktturbulenzen nicht mit Einschränkungen zu rechnen sei. Die Probe aufs Exempel steht allerdings noch aus.

Schwarzer Montag

Die Marktturbulenzen Ende August offenbarten ein weiteres Risiko von ETFs. Am 24. August, dem „Schwarzen Montag“ an den Börsen, als Indizes weltweit wegen großer Sorgen um die chinesische Wirtschaft in den Keller gingen, brachen einzelne ETFs in den USA nicht nur um den Prozentsatz der Indizes, sondern weit stärker ein, teilweise um 50 Prozent. Zwar blieb der Spuk ein kurzer, sodass Experten von einem ETF-„Flashcrash“ sprachen. Doch der ruckartige Rücksetzer löste tausende Stopp-Loss-Order (siehe Artikel auf dieser Seite) aus. Es kam zu einem raschen und heftigen Verfall, sodass zu sehr tiefen Kursen tatsächlich verkauft wurde. Die Deutsche Börse glaubt zwar nicht, dass ein solcher Flashcrash auch in Deutschland möglich wäre. Eine Garantie könne man dafür jedoch nicht abgeben, heißt es. „Wir haben auf der Handelsplattform Xetra sieben verschiedene Sicherheitsmechanismen“, versichert ein Sprecher. Dazu zähle etwa eine „Volatilitätsunterbrechung“, die greife, wenn eine Aktie oder ein ETF eine bestimmte Schwankungsbreite verlasse. Sie liege meist im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Löse dies das Problem nicht, werde der Handel unterbrochen, der nächste Kurs dann mithilfe einer Auktion festgestellt.

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