zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Im Sprachfluss

Nach einer Ausbildung in Deutsch als Fremdsprache steht einem die ganze Welt offen, von Island bis Italien. Es muss kein Master sein. Auch außerhalb der Universitäten werden Weiterbildungen angeboten.

Der Zischlaut hat es in sich: „Sch-sch-sch – wie eine Lokomotive“, so versuchte Jessica Guse ihren isländischen Schülern den tückischen deutschen Laut zunächst nahe zubringen. Isländer können es nämlich partout nicht aussprechen: das deutsche „Sch“. Leider fruchtete ihre Idee nicht: „Frau Guse, bei uns in Island gibt es doch gar keine Bahnstrecken. Woher sollen wir den Laut dann kennen?“, antworteten ihre Studenten.

Jessica Guse lacht bei dieser Geschichte aus ihrem Arbeitsalltag in Reykjavík. Sie lehrt als DAAD-Lektorin an der Háskóli Islands Universität Deutsch, zeitgleich hat sie einen so genannten Kulturauftrag inne. „Das heißt, ich arbeite hier in Island eng mit der Deutschen Botschaft zusammen und bin Ansprechpartnerin für isländische Studenten sowie Akademiker, die gerne für eine gewisse Zeit in Deutschland studieren oder forschen möchten.“ Die 30-Jährige hatte ihren Job an der Universität in Island schon vor Abschluss ihres Deutsch als Fremdsprache-Studiums – kurz DaF – an der Freien Universität Berlin in der Tasche.

Dabei war Deutschlehrerin nicht ihr ursprüngliches Berufsziel: Sie studierte Philologie, Mittelalterliche Geschichte und Kunstgeschichte auf Magister. Doch nach dem Studienabschluss blieben die Jobmöglichkeiten aus. „Ich wollte immer gerne für eine gewisse Zeit ins Ausland und mit Menschen arbeiten“, sagt sie. „So entschloss ich mich, an der FU Berlin den Master in DaF zu absolvieren."

Eine gute Entscheidung, denn DaF boomt. Im Ausland werden Absolventen für Lektorate des Deutschen Akademischen Austauschdienstes gesucht sowie für Deutschkurse an Universitäten oder Sprachinstituten. Aber nicht nur im Ausland findet man schnell einen Job, sondern auch in Deutschland. Denn seitdem 2005 das Zuwanderungsgesetz in Kraft trat, wurden Deutschkurse für Zuwanderer verpflichtend. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) regelt die Anforderung der Kurse und verlangt eine DaF-Ausbildung für Lehrer in Integrationskursen.

Wer in Deutschland lehren möchte, hat auch an einem Sprachinstitute gute Jobchancen. Gerade Berlin ist DaF-Boomtown, auch abseits der Integrationskurse: Viele Berlin-Besucher bleiben für eine Zeit in der Hauptstadt und wollen die Sprache lernen: Amerikaner, Briten, Australier wie die 43-Jährige Francis Morgan, die mit einem Künstlervisum nach Deutschland gekommen ist, in Neukölln lebt und gerade einen Sprachkurs für Anfänger absolviert. Ihre Gruppe in einem Sprachinstitut biete eine typische Neuköllner Mischung, sagt sie: Auch Spanier, Portugiesen, Franzosen und Italiener pauken deutsche Vokabeln und kämpfen mit der Grammatik.

Zertifikate und Studiengänge gibt es im gesamten Bundesgebiet viele, die Anforderungen an Lernende und Ziele der Weiterbildungsmöglichkeiten unterscheiden sich stark. Dabei stehen Interessierte zuerst vor der Frage: Universität oder freie Schule? Wichtiges Entscheidungskriterium dabei ist, wie viel Zeit für die Weiterbildung zur Verfügung steht. Wer in einem Vollzeitjob beschäftigt ist, der wird kaum die nötigen Freiräume für ein Hochschulstudium finden. „Es ist hart, den Universitäts-Master berufsbegleitend zu absolvieren, aber es ist machbar“, sagt Brigitte Handwerker von der Humboldt-Universität. Die Professorin ist Leiterin des Fachbereichs Deutsch als Fremdsprache. Ihr Spitzname bei den Studierenden: DaFne. Ihre Spezialisierung: linguistische und lern- beziehungsweise lehrtheoretische Grundlagen des Deutschen als Fremdsprache. Immer zum Wintersemester starten die Studiengänge, in denen auf kleine Kursgruppen und viel persönlichen Kontakt gesetzt wird. Bereits vier Jahrgängen hat die FU Berlin zu einem Master verholfen. Intensive Betreuung und tiefergehende Auseinandersetzung mit den Themen sind die Vorteile eines DaF-Studiums. An jeder größeren Universität werden die DaF-Studiengänge angeboten.

Als Alternative zu den zeitaufwändigen Angeboten der Berliner Universitäten wie FU, HU oder auch der Technischen Universität ist gerade für Berufstätige die Weiterbildung an Schulen, die spezielle Kurse in Sachen DaF oder Deutsch als Zweitsprache (DaZ) anbieten. Es gibt viele solcher Einrichtungen, etwa die Friedländer-Schule in Friedrichshain. Hier kann man eine DaF-Weiterbildung in zwanzig Sitzungen absolvieren. Die Kurse finden immer sonnabends statt, so dass auch Berufstätige nicht in Zeitnot geraten.

Auch das Goethe-Institut bietet Weiterbildungen für DaF. „Unser Angebot für Lehrende besteht aus einem Fernstudium, so dass die Qualifikation nebenberuflich erfolgen kann“, erklärt Karin Ende vom Goethe Institut. Meist sind die Teilnehmern Akademiker, klassischerweise Geistes- und Sozialwissenschaftler, die den Einstieg in die Erwachsenenbildung finden wollen. Die Weiterbildung am Goethe-Institut dauert etwa ein Jahr. „Die Teilnehmer können aber individuell bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen, wenn sie die Weiterbildung so besser mit ihrem beruflichen Alltag verbinden können“, sagt Karin Ende. Inhalte sind die linguistische Struktur der deutschen Sprache sowie methodisch-didaktische Komponenten.

In einem weiteren Kursangebot bietet das Goethe-Institut auch Nicht-Akademikern die Möglichkeit, sich als DaF-Lehrer weiterzubilden. Karin Ende ist für die Erstellung der Lehrmaterialien zuständig und weiß, worauf es als Lehrer in der Erwachsenenbildung ankommt: Sie hat selbst viele Jahre Deutschkurse gegeben. „Die Teilnehmer sollten Empathie für die verschiedenen Kulturen und Traditionen empfinden können, mit denen sie in einer Unterrichtssituation konfrontiert sind“, sagt Karin Ende.

Denn nur wer Verständnis aufbringt, der kann sich auch in seine Schüler aus verschiedenen Nationen hineindenken. In den Masterstudiengängen an der FU und HU ist deshalb ein Auslandssemester obligatorisch ist für die DaF-Studierenden. Dabei steht ein Praktikum als Deutschlehrer an einer Universität im Ausland auf dem Programm. Dieses sehen beide Universitäten als wichtigen Ausbildungsschritt an, insbesondere im direkten Umgang mit fremden Kulturen. „Nach anderthalb Jahren Island muss ich sagen: Das Wichtigste ist, dass man viel Geduld und Offenheit mitbringen muss. In einer anderen Kultur zu leben und zu arbeiten, bringt mich oft an die eigenen Grenzen“, sagt auch DAAD-Lektorin Jessica Guse.

Besonders schwierig kann der Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen in gemischten Gruppen von Lernenden sein, in denen verschiedene Nationalitäten vor dem DaF-Lehrer sitzen. Hier benötigen die Lehrenden Feingefühl und ein großes Maß an interkultureller Kompetenz – für die FU Berlin eines der zentralen Themen beim Studium: „Transkulturelles Lernen“ und die kritische Auseinandersetzung mit der Frage, wie den Lernern deutsche Kultur vermittelt wird, ist aktuell ein Seminarthema von Almut Hille, Leiterin des Masterstudiengangs Deutsch als Fremdsprache an der FU Berlin. „Die FU hat ihren Schwerpunkt auf die Kulturwissenschaft gesetzt“, sagt sie, „konkret heißt das: Wie sieht zeitgemäße Landeskunde aus?“ Hintergrund: Natürlich wollen Deutsch-Lerner neben der Sprache etwas über die deutsche Kultur erfahren. Aber da stellt sich die Frage: Was ist deutsche Kultur? Wenn ein DaF-Lehrer nicht nur Stereotype vermitteln will, ist eine intensivere Beschäftigung mit dem Kulturbegriff nötig. So diskutieren die Studierenden, wie man die Folgen von Migration in Deutschland vermittelt und welche literarischen Texte Einblicke verschaffen könnten.

Jessica Guse hat schon oft mit ihren isländischen Studenten über deren Klischees diskutiert: „Isländer glauben, dass Deutsche immer pünktlich und gut organisiert sind und alle Jacken der Outdoor-Marke Jack-Wolfskin tragen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false