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Vielleicht hält man sein Geld besser fest und kauft bei breiterem Angebot.

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Immobilienmarkt: Was passiert, wenn die Zinsen deutlich steigen?

Die Europäische Zentralbank will bis Ende des Jahres ihre Politik der quantitativen Lockerung beenden. Das kann viele Folgen für die Immobilienbranche haben.

Starke Nachfrage, begrenztes Angebot – die Immobilienmärkte in Deutschland boomen: Wohnungen, Häuser, Büros, Logistikflächen, von alledem scheint es viel zu wenig zu geben. Auch in Ermangelung anderer Anlageprodukte. Doch die Wirtschaft in Europa nähert sich einem Wendepunkt. Die Frage steht im Raum, was auf den Immobilienmärkten passiert, wenn die Zinsen mittelfristig wieder auf über drei Prozent steigen.

Mitte Juni kündigte die Europäische Zentralbank (EZB) an, ihr Programm zur qualitativen Lockerung im Dezember dieses Jahres auslaufen zu lassen. Sie würde damit eine dreijährige Periode beenden, in der die Bank starke geldpolitische Impulse zur Ankurbelung des weltweiten Wachstums auslöste. Der angekündigte Rückzug der EZB aus den Anleihemärkten könnte zu einem Anstieg der Renditen führen; die relative Attraktivität von Immobilien könnte untergraben werden. Mit steigenden Zinsen werden andere Anlagealternativen im Vergleich zur Immobilie tendenziell wieder attraktiver. Und was passiert dann?

Die Effekte einer Zinserhöhung werden mehrschichtig sowie zeitversetzt und überlagernd sein. Außerdem muss noch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung berücksichtigt werden. Geht die Zinserhöhung mit einer wirtschaftlichen Abschwächung einher, können die Effekte auch verstärkt werden.

Verkäufe brechen ein, Wohneigentum wird günstiger

Momentan laufen Immobilienmakler und Hausverkäufer zur Hochform auf, wenn es um die Bildung von Wohneigentum geht, weil ja die Zinsen so günstig seien. Oben drauf gibt es dann neuerdings noch das Baukindergeld. Es gibt Menschen, die diesen Argumenten sehr gern folgen, denn der Traum vom Wohneigentum scheint den meisten Menschen in die Wiege gelegt worden zu sein.

Aus Verkäufersicht wird bei steigenden Zinsen zunächst der Verkauf von Immobilien und der Neubau von Häusern einbrechen, sagt auf Anfrage Bauberater Frank Hartung. Problematisch wird es für Wohnimmobilien, die seit einiger Zeit zu Preisen gehandelt werden, die fernab jeder Realität sind. Diese Preise werden sinken, prophezeit Hartung. Insbesondere Wohneigentum in Ballungszentren wird dann weitaus günstiger zu haben sein als momentan. Wer momentan eine Wohnung zur Vermietung kauft, wird mit günstigen Zinsen und hohen Mieten gelockt. Dass beide Attribute den Kaufpreis hoch treiben, erkennen aber die wenigsten.

Vor allem institutionelle Anleger wechseln bei steigenden Zinsen dann eher auf die Verkäuferseite und werden weniger als Käufer aktiv. Sobald die Bauzinsen ansteigen, werden als erste auch andere Kapitalanleger aussteigen. Ihre Nachfrage sinkt. Die Rendite liegt in den nachgefragten Märkten bereits jetzt bei weniger als zwei Prozent. Ein Effekt wäre dann, dass die Immobilienpreise weniger dynamisch steigen würden. Ein zu erwartender moderater Zinsanstieg würde allerdings nicht zu einem abruptem Nachfragerückgang der institutionellen Anleger führen, sagt auf Anfrage Michael Neumann, Vorstand der Dr. Klein Privatkunden AG. Außerdem übersteige die Nachfrage das Immobilienangebot erheblich und die Baufertigstellungen decken die aktuelle Nachfrage weiterhin nicht. Neumann sieht „keine Gefahr, dass sich ein relevanter Teil der Kunden die Anschlussfinanzierung bei steigenden Zinsen nicht mehr leisten kann“. Die derzeitige Tilgung im bundesweiten Durchschnitt sei sehr hoch und die Sollzinsbindung sehr lang, so dass am Ende einer Finanzierung bei den meisten Kreditnehmern eine überschaubare Restschuld bleibe.

Steigen die Zinsen, ist das nur für diejenigen problematisch, die sich keiner langen Zinsbindung unterworfen haben. Wer die günstigen Konditionen genutzt hat, dürfte in 20 bis 25 Jahren schuldenfrei sein. Optimal haben diejenigen finanziert, die die Tilgungsrate so angesetzt haben, dass mit der Zahlung der letzten Rate der Kredit getilgt ist. „Sie werden lediglich ein Problem haben, wenn die Preise, die sie bezahlt haben, auf dem Markt nicht mehr erzielbar sind“, sagt Hartung: „Ob ein Vermieter in zehn Jahren davon betroffen sein wird, dass er auch die derzeitigen Mieten nicht mehr durchsetzen kann, ist schwer zu beurteilen.“ Bestehende Immobilien-Kapitalanleger könnten versucht sein, ihre Immobilien zu verkaufen, da sie sich nicht mehr rentieren. Die Mieten werden sich kurzfristig nicht in entsprechende Größenordnungen steigern lassen.

Private Insolvenzen als Folge

Aus Käufersicht ist bei steigenden Zinsen mit folgendem Szenario zu rechnen: Für Häuslebauer, die sich Ihren Traum „mit Gewalt“ erfüllt haben, wird es eng. Sie haben oft eine Zinsbindung von zehn Jahren und tilgen den Kredit mit einem Prozent. So kommt dann kaum eine Tilgung zustande und nach zehn Jahren muss neu verhandelt werden. Zwei Probleme tauchen nun auf: Hat das Haus tatsächlich noch den Wert von vor 10 Jahren? Kann der Häuslebauer die neuen Raten bezahlen?

Es gibt viele Makler, die heute schon darauf setzen, dass diese Fragen in acht oder neun Jahren mit „Nein“ beantwortet werden. Private Insolvenzen sind dann die Folge, es kommen viele Objekte auf den Markt. Die Banken werden sich mit Zwangsversteigerungen befassen müssen. Dann geht es um die Frage, was die Immobilien noch wert ist. Käufer, die zwischen einem und zwei Prozent Zins finanziert haben und nach Auslauf der Bindefrist noch einen hohen Restbetrag finanzieren müssen, werden große Probleme mit der Zinslast bekommen. Die Einkommensentwicklung wird sicherlich nicht ausreichen, um eine plötzlich doppelt so hohe Belastung zu schultern.

Aufgrund der niedrigen Zinsen gibt es eben derzeit eine Käuferschicht, die sich ansonsten keine Immobilie hätte leisten können. „Diese Nachfrage wird bei einer Zinserhöhung unmittelbar wegbrechen“, sagt Günther Gültling, Sachverständiger für bebaute und unbebaute Grundstücke und Mitglied im IVD Immobilienverband Deutschland.

Hartung rechnet folgendes Beispiel durch: Angenommen der Käufer hat 200 000 Euro Kredit aufgenommen, zahlt 2,5 Prozent Zinsen und tilgt mit einem Prozent. Da kommt er auf eine Monatsrate von 583,33 Euro. Die ist tragbar. Nach zehn Jahren hat er eine Restschuld von 177 305,07 Euro. „Wir gehen mal positiv an die Sache heran und setzen voraus“, so der Berater, „dass er fleißig gespart und nun „nur“ noch 150 000 Euro neu finanzieren muss. Er nimmt den Kredit zu angenommenen 6,5 Prozent Zinsen auf, bleibt aber bei der (zu) niedrigen Tilgungsrate. Er wird monatlich 937,50 Euro aufbringen müssen, hat aber auch nach weiteren zehn Jahren noch Restschulden von fast 129 000 Euro.“

Das Bauen wird kaum billiger

Für Anleger gibt es bei steigenden Zinsen keinen Grund, sich das Problem Immobilie anzutun, sagt Gültling: „Man sollte hier nicht vergessen, dass vor der Bankenkrise der Kapitalanleger, der eine einzelne Wohnung zur Anlage kaufte, so gut wie ausgestorben war. Die Rückkehr dieser Nachfrager ist fast ausschließlich den geringen Kapitalmarktzinsen zu verdanken, denn die Probleme, die man mit einzelnen Immobilien hat – Mietausfall, Renovierungen/Sanierungen etc. – haben sich ja nicht geändert.“

Beim Hausbau wird es mit Blick auf steigende Bauzinsen etwas komplizierter, denn die Preise haben nicht viel mit dem Zinsniveau zu tun. „Es sind dann eher die Grundstückspreise, die eventuell wieder fallen“, glaubt Hartung. Zumindest in Regionen, in denen momentan „Mondpreise“ verlangt werden – wie zum Beispiel in Berlin. Der Neubau von Eigenheimen selbst wird kaum billiger werden können, weil die Preistreiber hier weniger die Hausanbieter sind. Vielmehr wird das Bauen selbst – auch aufgrund politischer Vorgaben – immer teurer.

Die Ausprägung der einzelnen Szenarien hängt natürlich stark von der Höhe und Schnelligkeit einer Zinserhöhung ab. Im ersten Schritt wird natürlich bei sinkender Nachfrage erst einmal das Angebot erhöht werden.

Weitere Informationen unter: www.hausbauberater.de

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