zum Hauptinhalt
Positiv? Kunden müssen das der Versicherung sagen.

© imago images/Max Stein

Infektion, Invalidität, Impfschäden: Muss ich sagen, dass ich Corona hatte?

Zehn bis 20 Prozent der Covid-19-Erkrankten leiden unter Spätfolgen. Versicherungen können helfen. Aber bekommt jeder, der will, ein Angebot?

Die Welle ist ungebrochen. Täglich infizieren sich Tausende Menschen in Deutschland neu mit Covid-19. Viele entwickeln keine Symptome und bemerken die Infektion gar nicht. Andere schütteln die Erkrankung nach einigen Tagen mit Fieber, Husten oder Kopfschmerzen ab. Doch immer mehr Studien warnen vor den Spätfolgen einer Corona-Infektion. Rund zehn bis 20 Prozent der Menschen, die eine Sars-CoV-2-Infektion überstanden haben, leiden unter Langzeitfolgen, zeigen Forschungen aus Großbritannien und China. Das Phänomen hat einen Namen: „Long-Covid“.

Das sind die häufigsten Spätfolgen

„Erkrankungen der Lunge, des Nervensystems, der Blutgefäße oder der Muskulatur zählen zu den häufigsten Langzeitfolgen“, sagt Wolfgang Galetke, Chefarzt der Klinik für Pneumologie in der Vamed Klinik Hagen-Ambrock. Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns, anhaltende Erschöpfung und Müdigkeit, Atem- und Gelenkschmerzen können die Betroffenen noch Monate nach einer Infektion verfolgen, auch bei zunächst leichten Krankheitsverläufen sind Langzeitfolgen möglich. Unklar ist, ob die Beschwerden nach einer Zeit wieder verschwinden oder von Dauer sind.

Welche Versicherungen helfen

Gut, wer gegen solche Folgen versichert ist – mit einer Krankenversicherung, die die Behandlungskosten trägt, und mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung, die einspringt, wenn man wegen Corona seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Grundsätzlich gilt: Bestehende Policen decken das Risiko einer Corona-Infektion ab. „Wenn es durch die Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung zu einer Berufsunfähigkeit kommt, so ist dies in den bestehenden Verträgen versichert“, heißt es bei Deutschlands größtem Versicherungsunternehmen, der Allianz.

Genauso sieht es bei der privaten Krankenversicherung aus. Auch bei oder nach einer Erkrankung am Coronavirus erhalten Bestandskunden alle Leistungen wie gewohnt im jeweils tariflichen Umfang erstattet, betont ein Sprecher auf Anfrage. Doch was ist mit Menschen, die noch keine Police haben, sich nun aber absichern möchten? Steht eine Covid-19-Infektion dem Wunsch im Weg, muss man dem Versicherer eine Erkrankung mitteilen? Und gilt das auch dann, wenn ein Corona-Test zwar positiv war, die Infektion aber symptomlos geblieben ist?

Versicherer fragen nicht gezielt nach Corona

„Wir fragen weder bei der Berufsunfähigkeitsversicherung noch bei der privaten Krankenversicherung explizit nach einer Coronaerkrankung“, heißt es bei der Huk Coburg. Andere Anbieter verfahren genauso. Auf Tagesspiegel-Anfrage erklären auch die Allianz, die Debeka und die Ergo-Tochter DKV, dass ihre Antragsunterlagen keine Fragen nach einer Covid-19-Infektion und einem möglichen Testergebnis enthalten. Das deckt sich mit den Erfahrungen der Verbraucherschützer. „Uns sind bisher keine Fälle oder Antragsdokumente bekannt, in denen konkret nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung oder auch nur nach einem positiven Test in der Vergangenheit gefragt wird“, berichtet der Bund der Versicherten.

[Alle wichtigen Updates des Tages zum Coronavirus finden Sie im kostenlosen Tagesspiegel-Newsletter "Fragen des Tages". Dazu die wichtigsten Nachrichten, Leseempfehlungen und Debatten. Zur Anmeldung geht es hier.]

Was man von sich aus sagen muss

Doch auch wenn nicht explizit nach Corona gefragt wird, darf man eine Corona-Erkrankung nicht verschweigen. Das gilt sowohl für die private Kranken- als auch für die Berufsunfähigkeitsversicherung. Und auch einen positiven Corona-Test müsse man von sich aus angeben, betont eine Debeka-Sprecherin.

In der privaten Krankenversicherung gehören eine Corona-Infektion und ihre Behandlung nämlich zu den allgemeinen Gesundheitsfragen. Vor Abschluss einer Voll- oder einer privaten Zusatzversicherung müssen Kunden alle Erkrankungen und Behandlungen der vergangenen Jahre – meist geht es um Zeiträume von fünf bis zehn Jahren – angeben.

Behandlungskosten wegen einer Covid-19-Infektion zahlt die Krankenversicherung.
Behandlungskosten wegen einer Covid-19-Infektion zahlt die Krankenversicherung.

© dpa

Auch bei der Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es eine Gesundheitsprüfung. „Grundsätzlich werden bei Antragstellung behandlungsbedürftige Infektionskrankheiten abgefragt und entsprechend dem individuellen Verlauf bewertet“, sagt ein Ergo-Sprecher auf Tagesspiegel-Anfrage. „Darunter würde zum Beispiel auch eine Covid-19-Infektion fallen“. Auch nach grundsätzlichen Beschwerden oder Befindlichkeitsstörungen, wie sie auch bei Corona auftreten können, erkundigt sich die Versicherung – dazu zählen Erschöpfungszustände, Schlafstörungen, Atemprobleme oder Überlastungssyndrome.

Was passiert, wenn man infiziert war?

Eine Corona-Infektion führt aber nicht automatisch dazu, dass man leer ausgeht oder höhere Beiträge zahlen muss. „Bestehen keine Beschwerden und ist die Erkrankung gegebenenfalls folgenfrei ausgeheilt, erfolgt die Aufnahme in der privaten Krankenversicherung ohne Erschwerungen“, heißt es bei der Debeka. Hat man noch Beschwerden, wird der Antrag zurückgestellt, bis eine Entscheidung möglich ist. Die endgültige Risikoeinschätzung erfolge auf Grundlage eventuell zurückgebliebener Folgen. Was Kunden Hoffnung macht: „Nach bisherigem Sachstand und heutiger Erkenntnis haben wir noch keinen Antragsteller, der positiv auf das Corona-Virus getestet wurde, endgültig abgelehnt“, betont die Debeka-Sprecherin.

[Behalten Sie den Überblick über die Corona-Entwicklung in Ihrem Berliner Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihre Nachbarschaft. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de.]

Versicherer prüfen jeden Fall individuell

„Allein die Angabe bei der Gesundheitsprüfung, dass Neukunden eine Infektion mit dem Coronavirus durchgemacht haben, führt nicht zu Einschränkungen, sowohl in der Voll- als auch in der Zusatzversicherung“, teilt auch die Allianz mit. Sämtliche Anbieter nehmen eine individuelle Risikoprüfung vor. Ist der Patient geheilt und kommt der Versicherer zu dem Schluss, dass die Infektion folgenlos überstanden ist, gibt es den privaten Krankenversicherungsschutz ohne Aufschläge. Treten jedoch Folgeschäden auf, sind Einschränkungen beim Versicherungsschutz bis hin zur völligen Ablehnung möglich.

Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, kann froh sein, eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu haben.
Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, kann froh sein, eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu haben.

© dpa-mag

Das gilt für die Berufsunfähigkeitsversicherung

Ähnlich sieht es bei der Berufsunfähigkeitsversicherung aus. „Ist ein Covid-19-Erkrankter wieder vollständig genesen, steht dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung grundsätzlich nichts im Wege“, sagt ein Sprecher des Versicherungsverbands GDV. Können Folgeschäden ausgeschlossen werden, gibt es Versicherungsschutz zu normalen Bedingungen, heißt es bei der Ergo.

Die Debeka stellt die Entscheidung über die Versicherung zurück, falls jemand unmittelbar infiziert ist oder eine Infektion gerade einmal vier Wochen zurückliegt. Ist die Vier-Wochen-Frist abgelaufen und ein Corona-Test negativ, nimmt die Debeka eine Risikoabschätzung vor: Faktoren sind der bisherige Krankheitsverlauf, Komplikationen, Therapien und mögliche Folgen. Je nach Einschätzung gewährt die Versicherung den normalen Schutz oder stellt den Versicherungsschutz zeitlich befristet zurück.

In der Praxis spiele das Corona-Infektionsgeschehen in der Berufsunfähigkeitsversicherung bisher aber noch keine bedeutende Rolle, heißt es beim Unternehmen. „Weit überwiegend konnte ein normaler Versicherungsschutz geboten werden, da es sich um reine Infektionen oder um milde Krankheitsverläufe gehandelt hat“, sagt eine Sprecherin. Das liege auch daran, dass Antragsteller in der Berufsunfähigkeit in aller Regel recht jung sind.

Experten rechnen bei einer Corona-Impfung nur mit den normalen Nebenwirkungen, die Impfungen haben können.
Experten rechnen bei einer Corona-Impfung nur mit den normalen Nebenwirkungen, die Impfungen haben können.

© dpa

Eine Versicherung gegen Impfschäden

Experten rechnen nicht mit größeren Impfschäden bei einer Corona-Impfung als bei anderen Schutzimpfungen. Das hält die Hanse Merkur nicht davon ab, in ihrer neuen Unfallversicherung solche Schäden abzusichern. Explizit wirbt der Versicherer bei Kunden mit Impfschäden durch Corona. Bisher sind Impfschäden in der privaten Unfallversicherung in der Regel nicht versichert, heißt es beim GDV.

Medizinische Kosten übernimmt die Krankenversicherung, bei Invalidität oder Berufsunfähigkeit durch eine Impfung springt die Berufsunfähigkeitsversicherung ein, betont der Bund der Versicherten. Ob das neue Angebot, sich zusätzlich über eine Unfallversicherung abzusichern, Sinn macht, hänge vom Leistungsumfang des Versicherungsangebots ab, sagen die Verbraucherschützer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false