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Wer fliegt? Von der Streikbeteiligung und den Streikbrechern hängt es ab, wie viele Maschinen am Mittwoch starten.

© imago/Future Image

Streik bei Ryanair: Piloten und Stewardessen vereint

Mindestens 150 Flüge sind am Mittwoch betroffen. Billigflieger will mit Streikbrechern Ausfälle vermeiden und droht mit Stellenabbau in Deutschland.

Ein „historischer Moment“ stehe bevor, sagte Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle am Dienstag in Berlin. Dabei klang ein „endlich“ durch. 16 Jahre nach Aufnahme des Flugbetriebs werden die deutschen Flugbegleiterinnen von Ryanair erstmals streiken. „Die Menschen sind wirklich aufgebracht“, sagte Behle. Das Gehalt ist niedrig, Versetzungen in andere Länder sind jederzeit möglich, bei Krankheit gibt es häufig Abzüge und in der Nebensaison sinkt das Einkommen analog zur Zahl der Flüge. Auch wegen dieser Arbeitsbedingungen ist die irische Gesellschaft zum Trendsetter und Marktführer der Billigflieger geworden. Doch es fliegt sich schon lange nicht mehr reibungslos. In verschiedenen Ländern Europas verhandeln und streiken Gewerkschaften seit Monaten für bessere Arbeitsbedingungen. Auch hierzulande: Die Piloten der Vereinigung Cockpit (VC) blieben am 10. August gemeinsam mit Kollegen in Holland, Schweden und Belgien am Boden. 400 Flüge, davon 250 in Deutschland, fielen aus.

Die Piloten streiken zum zweiten Mal

Jetzt folgt der zweite Versuch, um das Management in Dublin zum Nachgeben zu drängen. In der kommenden Nacht um 3.01 Uhr bis Donnerstag um 2.59 Uhr rufen VC und Verdi ihre Mitglieder bei Ryanair zum Streik auf. Potenziell betroffen sind rund 350 Flüge, die von den zwölf deutschen Flughäfen mittwochs auf dem Plan stehen. Mindestens 150 fallen aus, teilte Ryanair mit. Den Schaden versucht das Unternehmen zu begrenzen, indem Flugbegleiter und Piloten aus anderen Ländern herbeigeschafft werden. Man werde versuchen, den Flugplan so weit wie möglich zu erfüllen, kündigte das Unternehmen an und drohte gleichzeitig den eigenen Beschäftigten. Wegen des Warnstreiks könnte es „zu Streichungen von Flugzeugen und Stellen im deutschen Markt im Winter“ kommen.

Kunden werden per SMS informiert

Die Kunden will Ryanair per Mail oder SMS informieren, ob ihr Flug stattfindet. Reisende, deren Flug komplett gestrichen wird, haben „unter Umständen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von bis zu 600 Euro“, heißt es beim Flugrechteportal Airhelp. Ryanair lehnt Entschädigungen bislang ab.

Das irische Unternehmen beschäftigt in Deutschland rund 400 Piloten, davon ein Drittel als Werkvertragsarbeitnehmer, und 1000 Flugbegleiterinnen, von denen wiederum etwa 700 bei zwei Leiharbeitsfirmen angestellt sind. Piloten und Kabinenpersonal wollen mehr Geld und überhaupt bessere Arbeitsbedingungen. „Auf die bereits seit letztem Jahr unveränderten Forderungen hat die Geschäftsleitung nach wie vor kein verbessertes Angebot unterbreitet“, heißt es bei der Vereinigung Cockpit über das Ergebnis der bisherigen Verhandlungen. Das Unternehmen habe eine irischen Mediator vorgeschlagen und wolle „ein Tarifdiktat durch die Hintertür erreichen“.

Bei Easyjet gibt es viel mehr Geld

Auch Verdi bewertet das bisherige Angebot als ungenügend. Nach Angaben der Gewerkschaft sollte es für die Flugbegleiterinnen 41 Euro im Monat mehr geben, allerdings erst 2021. „Das Ryanair-System geht auf Kosten der Belegschaft“, sagt Vorstandsmitglied Behle. Selbst wenn die Iren die Forderungen der Gewerkschaft komplett erfüllen würden, bliebe das Einkommen der Ryanair-Stewardessen unter dem Niveau der Kolleginnen und Kollegen bei Easyjet im Jahr 2016. Derzeit gibt es bei Easyjet rund 1000 im Monat mehr als bei Ryanair.

Immerhin hat Ryanair in Deutschland vor drei Monaten die Entgelte etwas erhöht – womöglich auch deshalb, weil hier und da der gesetzliche Mindestlohn unterschritten wurde, wie Verdi vermutet. Die Leiharbeitnehmerinnen in der Kabine kommen den Angaben zufolge auf rund 1500 Brutto im Monat. Da es kein Basisgehalt gibt, sondern die Zahl der Flugstunden maßgeblich ist für das Gehalt, sind Einkommen unter 1000 Euro „regelmäßig möglich“, heißt es bei Verdi.

Alle haben Angst um den Arbeitsplatz

Die Dienstleistungsgewerkschaft hat angeblich einen Großteil der 1000 Beschäftigten in der Kabine als Mitglieder gewonnen, und rechnet nun mit einer regen Streikbeteiligung. Der Streik sei „ein ganz großer Schritt“, trotz des enormen Drucks: „Alle haben Angst um ihren Arbeitsplatz“, sagte Behle. Das Unternehmen drohe den eigenen Leuten mit Versetzungen und der Rücknahme von Beförderungen. Mit der Fortsetzung der Verhandlungen rechnet Verdi in der kommenden Woche.

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