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Erkennt eine T-Zelle eine Krebszelle, aktiviert sie ein Killerprogramm und die Krebszelle wird abgetötet.

© Getty Images/Science Photo Library RF/ROGER HARRIS/SCIENCE PHOTO LIBRARY

Berliner Start-up: Mit Immunzellen den Krebs bekämpfen

Das schärfste Schwert gegen den Krebs sind immer noch die eigenen Abwehrkräfte. Dies macht sich ein neues Start-up zunutze, das bislang nicht therapierbare Tumoren bekämpfen will.

Schlägt eine Körperzelle aus der Art und droht etwa unkontrolliert zu wuchern, ruft der Körper das Immunsystem auf den Plan: Weiße Blutkörperchen eliminieren die defekten Zellen. Ein alltäglicher Vorgang, der aber manchmal versagt. Wenn mutierte Zellen der Immunabwehr entgehen, entsteht Krebs.

Ein Team vom Berliner Max-Delbrück-Centrum (MDC) hat nun eine Firma namens „Cartemis Therapeutics“ gegründet, die dem Immunsystem auf die Sprünge helfen und ihm neue Munition geben will, um bislang nicht therapierbare Arten von Lymphdrüsen- und Knochenmarkkrebs zu bekämpfen.

Dazu statten die Forschenden T-Zellen, einen speziellen Typ weißer Blutkörperchen, mit künstlich erschaffenen Molekülen aus. Diese bestehen aus verschiedenen Teilen, die natürlicherweise nicht zusammen vorkommen. Diese „chimären Antigen-Rezeptoren“ (CAR) erkennen krebstypische Eiweiße auf der Zelloberfläche und aktivieren ein Killerprogramm, das die Krebszelle eliminiert.

„Dabei treffen wir auch immer ein paar gesunde Zellen“, erklärt Krebsforscherin Uta Höpken, die Teil des vierköpfigen Gründungsteams ist. „Doch es sollen natürlich nur wenige in Mitleidenschaft gezogen werden.“ Die CAR-T-Zellen, die sie nun in die Klinik bringen will, zielen auf ein Molekül namens CXCR5. Dieses befindet sich auf reifen Lymphdrüsenkrebszellen und weiteren Zellen, die das Tumorwachstum unterstützen. Die Hoffnung ist, dass der spezifische Rezeptor effektiv das B-Non-Hodgkin-Lymphom bekämpft.

Ein zweiter CAR ist gegen das Eiweiß BCMA gerichtet, das auf Zellen des Multiplen Myeloms vorkommt: Knochenmarkskrebs. Außerdem möchte die Firma eine Art genetisches Tuning zur Marktreife bringen, um die T-Zellen zielgenauer und durchschlagskräftiger zu machen. Diese Zellverbesserung wäre für andere CAR-T-Zelltherapien nutzbar.

Chimäre Kämpfermoleküle gegen Krebszellen

Denn Cartemis hat die Idee der synthetischen Rezeptormoleküle nicht erfunden: Ähnliche Zelltherapien sind seit einigen Jahren erfolgreich gegen verschiedene Arten von Blutkrebs im Einsatz. Diese richten sich allermeistens gegen das CD19-Protein. Krebszellen unterdrücken jedoch manchmal das CD19-Molekül und entgehen so dem Killerkommando.

Um CAR-T-Zellen herzustellen, filtern die Behandelnden zunächst weiße Blutkörperchen aus dem Blut der Betroffenen. Aus diesem Pool werden die T-Zellen isoliert. Im Labor bekommen diese dann die Erbinformation für den CAR eingepflanzt. Zurück in die Blutbahn injiziert, suchen die veränderten Zellen mit ihrem künstlichen Rezeptor den Krebs.

Die Nebenwirkungen der CAR-T-Zelltherapien sind häufig. Infolge einer Überreaktion des Immunsystems werden oft große Mengen an Entzündungsstoffen (Zytokinen) frei. Folgen sind Fieber, ein niedriger Sauerstoffgehalt im Blut, in seltenen Fällen sogar Organversagen. Außerdem kann das Nervensystem geschädigt werden und die Blutbildung leiden. Werden zu viele Krebszellen auf einmal abgetötet, verursachen die großen Mengen an Zellbestandteilen Nieren- und Herz-Kreislauf-Probleme.

Raus aus dem akademischen Setting

Cartemis Therapeutics hat sich im Sommer gegründet und im August in das Handelsregister eintragen lassen. Zu Beginn wurde sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Helmholtz-Gemeinschaft unterstützt, das Geld reicht bis in das nächste Jahr hinein. Nun ist sie auf der Suche nach Investoren, die bereit sind, Risikokapital für die Finanzierung der kostspieligen klinischen Studien aufzubringen.

Denn obwohl mit Millionenunterstützung aus dem Forschungsministerium klinische Pilotstudien erfolgreich gestartet sind, fehlen noch die Mittel für Phase-IIb-Studien, in denen Wirksamkeit, Dosierungsrahmen und die Sicherheit an Betroffenen getestet wird.

Eine Ausgründung war ab einem bestimmten Zeitpunkt alternativlos, sagt Höpken im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Ein Grund sei die finanzielle Belastung, die steuerfinanzierte Institutionen irgendwann nicht mehr stemmen könnten. Auch sei der „bürokratische Aufwand“ und die „regulatorischen Hürden“ im akademischen Umfeld einfach zu hoch.

Wir sind in Deutschland nicht besonders gut, wenn es um die frühe Translation geht.

Uta Höpken, Krebsforscherin und Gründerin

„Wir sind nicht besonders gut, wenn es um die frühe Translation geht“, sagt die Forscherin. Dabei meint sie nicht unbedingt nur die gesetzlichen Vorgaben vom Weg vom Labor zum Patienten: „Die Zeitabläufe insgesamt sind viel länger als zum Beispiel in Italien oder Spanien.“

Es sei zudem zielführender, die Studienbetreuung in die Hände einer spezialisierten Firma zu geben, die zum Beispiel „nur Phase-II-Studien durchführt und nichts anderes“.

All das beschleunige das Verfahren auf dem Weg zu einer Therapie für Patientinnen und Patienten: In fünf Jahren könnten die Ergebnisse aus den klinischen Tests vorliegen. Dann entscheide sich, ob die neuen CAR-T-Zellen regelmäßig als Therapie eingesetzt werden dürfen.

Korrektur: In einer früheren Version des Artikels hieß es, der erste Teil der Phase-II-Studien sei bereits abgeschlossen. Tatsächlich war bislang aber lediglich die Finanzierung erfolgreich und die Studien beginnen jetzt erst. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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