Tagesrückspiegel – Heute vor 613 Jahren: Die Uni Leipzig und eine späte Erbschaft der Saxo-Schweden
Die zweite dauerhaft bestehende Uni auf deutschem Boden verdanken die Sachsen einem später als Ketzer verbrannten Böhmen. Und dann ist da noch die nordische Connection.
Wenn hierzulande heute jemand noch etwas über den böhmischen Reformator Jan Hus weiß, dann, dass er während des Konstanzer Konzils 1415 auf dem Scheiterhaufen endete. Dabei ist Hus auch für die Wissenschaft in Deutschland von großer Bedeutung. Die Gründung der nach Heidelberg (1386) zweiten bis heute ununterbrochen tätigen Universität auf deutschem Boden, am 2. Dezember 1409, geht letztlich auf ihn zurück.
Uni mit Migrationshintergrund
Hus war zu jener Zeit Wortführer der böhmischen Fraktion an der Karls-Universität in Prag. An der waren noch weitere drei „Nationes“, nämlich Polen, Bayern (zu denen aber unter anderem auch die Rheinländer gehörten) und Sachsen (denen auch Dänen und Schweden zugeordnet wurden) vertreten.
Sie alle waren gleich stimmberechtigt – bis 1409. Auf Hus‘ von König Wenzel gestützte Initiative hin bekamen jetzt die Böhmen drei, alle anderen zusammen nur noch eine Stimme. Es war nicht die glorreichste Reform des Reformers Hus.
Eine der Konsequenzen war, dass sächsische Gelehrte und Studenten Prag verließen.
Die meisten wanderten in Richtung Leipzig. In der Handelsstadt, damals zur Markgrafschaft Meißen gehörend, waren die Gelehrten und Lernenden nicht unwillkommen.
Rektor mit Amtserfahrung
Sie bekamen Gebäude zugewiesen und im September per päpstlichem Dekret die Erlaubnis, eine Universität zu gründen. Es gab wieder „Nationes“, und die gelehrten Schweden gehörten wieder zu den Sachsen. Noch Jahrhunderte später sollte sich das als sehr hellsichtig erweisen.
Heute vor 613 Jahren wurde die Satzung verlesen. Der ehemalige Prager Rektor Johann Otto von Münsterberg wurde zum Gründungsrektor gewählt. Er sagte sechs Jahre später in Konstanz im theologischen Streit gegen Hus aus, dem König Sigismund eigentlich freies Geleit zugesichert hatte.
Von der alten Unistadt zur jungen Wissenschaftsregion
Die mehr als 600-jährige Geschichte der zweiten deutschen Uni war reich an Brüchen, aber auch Erfolgen. Nach 1990 wurde die Alma mater zum Zentrum eines der wichtigsten Wissenschaftsstandorte Deutschlands mit universitärer und industrieller Forschung und mehreren Max-Planck-Instituten. Werner Heisenberg war 1932 der erste in Leipzig lehrende Wissenschaftler, der einen Nobelpreis bekam.
Am 10. Dezember 2022 kommt mit dem Max-Planck-Forscher Svante Pääbo ein weiterer hinzu. Dessen Vorname führt auch klar die Rangliste der häufigsten mit Leipzig in Verbindung stehenden Preisträger-Vornamen an. Svante Arrhenius, Ende des 19. Jahrhunderts an der Uni tätig, war 119 Jahre zuvor der erste Svante. Und der erste Schwede. Pääbo ist der zweite. Aber schon zu Uni-Gründungszeiten gehörten die Schweden ja zu den Sachsen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- showPaywallPiano:
- false