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Angehende Sportlehrer trainieren in Münster mit Titus Dittmann (rechts). Foto: dapd

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Wissen: Locker ins Lehramt rollen

Was Deutschlands erster Skateboard-Dozent rät.

Der Unterricht passt zu seiner Philosophie: Nicht autoritär, nicht drillen, sondern experimentieren. Das ist, was Titus Dittmann mit dem Skateboarding verbindet. Deshalb lehrt Deutschlands erster Universitätsdozent für Skateboarding auch nicht in einem Kursraum der Uni Münster, sondern im Münsteraner Skatepark Berg Fidel. „Skateboarding darf nicht verschult werden und muss seinen Charakter als rebellische Jugendkultur behalten“, sagt Dittmann.

Die Schüler sitzen nicht in Reih und Glied auf Stühlen, sondern lassen ihre Beine locker über die Rampe der Skateanlage baumeln. Zwei Studenten diskutieren mit Dittmann über die soziokulturelle Dimension des Skateboardings. Im eng vorgegebenen Raster der Prüfungsordnung nimmt der Dozent Dittmann sich die größtmögliche Freiheit.

Wichtiger als das Beherrschen der Fahrtechnik sei das Verständnis für „die stärkste Jugendkultur, die je aus dem Sport erwachsen ist“, sagt Dittmann. Der 63-Jährige, Wollmütze, Kapuzenpulli, Cordhose und Sneaker, warnt davor, Skateboarding als reines Schulfach zu begreifen. Er will den künftigen Lehrern und den Schülern das vermitteln, was ihm Skateboarding einst gegeben hat: „Leistungsbereitschaft, Kreativitätsanspruch, Willensbildung, Leidensfähigkeit und Umgang mit Druck in Stresssituationen.“ Heute ist Dittmann Sportartikelunternehmer, bis 1984 unterrichtete er sechs Jahre als Sportlehrer. Im Skatepark Berg Fidel demonstriert er den Studierenden, wie sie später am besten bei den Schülern ankommen. Er greift so wenig wie möglich in den Unterricht ein, lässt sie ihre eigenen Erfahrungen machen und in Gruppen lernen. Viele der Übungen leitet ein fortgeschrittenerer Lehramtsstudent. „In jeder Klasse gibt es Skateboarder, die die Vorbildfunktion übernehmen können.“

Bei einem sogenannten „Drop-in“, bei dem die Studenten mit dem Skateboard von einer Kante steil bergab in die Skateanlage hereinfahren, stellt sich Dittmann vor den 28-jährigen André Steinert, hält die Arme nach vorne und gibt knappe Anweisungen: „Gewicht nach vorne“, „Vorderachse auf den Beton knallen“ und „Je kleiner ihr euch macht, desto weniger weh tut es, wenn ihr auf die Schnauze fallt“. Nach drei Versuchen mit Hilfestellung hat Steinert den Dreh raus und schafft den „Drop-in“ alleine. Seine 20 Kommilitonen, die ihm zugucken, klappern anerkennend mit ihren Skateboards auf der Bahn. Dann probt jeder in Eigenregie.

In zwei Wochen ist Prüfung. Wer besteht, bekommt den sogenannten „Skateboard-Führerschein“. Jeder will den „Drop-in“ bis dahin können. Auch wenn dieser schon zur Kür und weniger zur Pflicht aus Slalom-Parcours, Fahren (Pushen) in einer Mini-Rampe und freiem Fahren (Run) mit kreativen Tricks (Kicks) gehört. „Man muss nicht der Held auf dem Brett sein“, sagt Steinert, der im kommenden Jahr an einer Schule unterrichten will. In Dittmanns Kurs lerne er die Grundlagen so gut, dass auch er als absoluter Skateboard-Anfänger den Sport im Unterricht vermitteln könne. Und das antiautoritäre Skateboarding werde auch seinen Unterrichtsstil in anderen Sportarten verändern. Jean-Charles Fays; dapd

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