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Um das Wettrennen zur Eizelle zu gewinnen, müssen Samenzellen schnell und agil sein – und das in einer komplexen Umgebung.

© stock.adobe.com/SciePro

Männliche Fruchtbarkeit: Spermien passen ihren Schwimmstil an

Spermien haben die Fähigkeit, sich an unterschiedliche Bedingungen im Vaginaltrakt anzupassen, zeigt eine neue Studie. Die Erkenntnisse könnten langfristig Behandlungen von Unfruchtbarkeit verbessern.

Von Alice Lanzke, dpa

Spermien passen ihren Schwimmstil an, um möglichst schnell und energieeffizient verschiedene Flüssigkeitsbedingungen zu meistern. Zu diesem Ergebnis kommt eine australische Studie, die im Fachblatt „Cell Reports Physical Science“ veröffentlicht wurde. Eine deutsche Studie beleuchtet unterdessen den Aufbau ganz spezieller Proteine, welche Spermien ihre Beweglichkeit verleihen.

Neben der Form und Anzahl ist auch die Beweglichkeit von Spermien wichtig für die Fruchtbarkeit des Mannes: Um das Wettrennen zur Eizelle zu gewinnen, müssen Samenzellen schnell und agil sein – und das unter widrigen Bedingungen. Beim Geschlechtsverkehr wird verstärkt Schleim im Eileiter abgesondert, welcher die Flüssigkeitsbewegung in Richtung Gebärmutter stimuliert.

Wir können möglicherweise Spermien identifizieren und isolieren, die ein optimales Schwimmverhalten zeigen.

Yazdan Parast, Forscherin an der Monash University

Diese Strömung trägt dazu bei, das Eindringen von Krankheitserregern in den Fortpflanzungstrakt zu verhindern, indem sie diese hinunterspült. Dadurch haben Spermien einen Vorteil, die in der Lage sind, gegen diese Strömung zur Eizelle zu schwimmen.

Wie aber die Zähigkeit der Flüssigkeit im Fortpflanzungstrakt und deren Strömungsbedingungen die Bewegungen von Spermien beeinflussen, sei bislang aufgrund von Beschränkungen herkömmlicher Methoden nicht hinreichend untersucht worden, schreibt ein Team unter Leitung von Reza Nosrati von der australischen Monash University.

Um nun herauszufinden, wie Spermien ihren Schwimmstil verändern, schufen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Art Testarena: ein Becken mit einer schleimartigen Flüssigkeit, deren Strömungsbedingungen und Viskosität sie verändern konnten. Dann ließen die Forschenden Bullen-Spermien durch die Arena schwimmen und nahmen sie mit Hochgeschwindigkeitsmikroskopen auf, die 200 Bilder pro Sekunde aufzeichneten. Das Team beobachtete dann, wie die Spermien ihre Schwänzchen bewegen.

Die Bullen-Spermien, die ähnliche Schwimmmuster wie menschliche Spermien aufweisen, wurden mithilfe von Hochgeschwindigkeitsmikroskopen beobachtet.

© dpa/Farin Yazdan Parast

Das Team stellte fest, dass die Bewegungen der Schwänze in erster Linie von der Viskosität der Flüssigkeit und weniger von der Strömungsbedingung beeinflusst werden: Je zäher die Flüssigkeit war, umso größer waren die Auf- und Abwärtsbewegungen der Spermienschwänze, zumindest bei schwächerer Strömung. Bei stärkerer Strömung ließ der Schlag hingegen nach. Insgesamt schlugen diese am schnellsten, wenn die Bedingungen um sie herum denen ähnelten, die in der Vagina kurz vor der Eizelle herrschen.

Behandlungen verbessern

Wie die Forschungsgruppe schreibt, bewegten sich die Spermien durch die angepassten Reaktionen energieeffizienter. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen das Untersuchungsdesign nun in Folgestudien verfeinern, um so langfristig Fruchtbarkeitsbehandlungen bei Menschen zu verbessern.

Mitautorin Yazdan Parast sagt dazu: „Indem wir die entsprechenden Bedingungen bei der Spermienselektion nachbilden, können wir möglicherweise Spermien identifizieren und isolieren, die unter ähnlichen Bedingungen wie im weiblichen Fortpflanzungstrakt ein optimales Schwimmverhalten zeigen.“


Potenzial zur Behandlung von Unfruchtbarkeit haben auch die Ergebnisse einer deutschen Studie im Fachblatt „Nature“, die am Biochemiezentrum der Universität Heidelberg (BZH) unter Leitung von Cristina Paulino durchgeführt wurde und die sich mit dem Aufbau von Spermienzellen befasst. Dieser Aufbau und Funktion würden sich von allen anderen Zelltypen unterscheiden, da die einzige Aufgabe von Spermienzellen sei, die Eizelle aufzufinden und mit ihr zu verschmelzen.

Die für den Transport verantwortlichen Proteine sind verbunden der Fruchtbarkeit eines männlichen Lebewesens.

Cristina Paulino, Forscherin am Biochemiezentrum der Universität Heidelberg

Wie die Forschungsgruppe in einer Mitteilung beschreibt, erlangen Spermien ihre volle Aktivität erst in der sogenannten Kapazitation, also bei der Reifung der Samenzellen. Am Ende dieses biochemischen Prozesses müsse die Beweglichkeit der Spermien erhöht werden. Denn ohne ausreichende Beweglichkeit könnten die Samenzellen die Eizellen nicht erreichen und befruchten.

In dieser Phase kommt speziellen Proteinen, die sich in der Hülle des Spermiums befinden, eine besondere Bedeutung zu: den Membrantransportern. Diese seien etwa dafür verantwortlich, Nährstoffe in die Zelle hinein oder aus der Zelle heraus zu transportieren.

Aufbau des neu-entschlüsselten Proteins, das sich in der Hülle von Spermienzellen befindet. Mithilfe der Farben wurden die verschiedenen Einheiten des Proteins markiert, die sich wie ein Legospielzeug zu einem funktionstüchtigen Protein zusammensetzen.

© dpa/Martin F. Peter

„Bei Spermien hat der Transport von bestimmten Ionen in die Zelle hinein eine Erhöhung der Eigenbeweglichkeit zur Folge. Daher sind die für den Transport verantwortlichen Proteine direkt verbunden mit der Fertilität eines Spermiums und damit mit der Fruchtbarkeit eines männlichen Lebewesens“, so Cristina Paulino in einer Mitteilung.

Proteine aktivieren oder deaktivieren

Anhand der Membrantransporter von Seeigeln, einem Modellsystem für die Forschung an Spermien, und mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie konnte die Forschungsgruppe nun den Aufbau eines wichtigen Membrantransporters für Spermien auf molekularer Ebene entschlüsseln.

„Wir haben beobachtet, dass das entscheidende Protein wie ein Legospielzeug aus verschiedenen Baueinheiten aufgebaut ist. Diese Bauteile sind im Grunde von anderen Proteinen bekannt, wurden allerdings noch nie zusammenhängend beobachtet. Mithilfe dieser Informationen konnten wir zum ersten Mal den Mechanismus dieses Transporters entschlüsseln“, sagt Mitautorin Valeria Kalienkova.

Ein derartiges besseres Verständnis könnte helfen, um in einem nächsten Schritt potenzielle Substanzen zu entwickeln, die diesen Mechanismus beeinflussen. Damit ließen sich die Funktionen der Proteine möglicherweise aktivieren oder auch deaktivieren. Inwieweit sich diese Erkenntnisse auch auf den Mechanismus von humanen Spermien übertragen lassen, müsse allerdings noch untersucht werden.

Auf lange Sicht würden sie indes das Potenzial bergen, neue Wege bei der Behandlung von Unfruchtbarkeit oder umgekehrt bei der absichtlichen Verhinderung einer Befruchtung der Eizelle durch Spermien zu eröffnen.

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