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Die Mischung aus Kaffeebohnen, die nicht zu fein gemahlen sind, und der richtigen Menge heißen Wassers, das durch das Pulver gepresst wird, macht einen guten Espresso aus.

© Five Senses Coffee (Australia)

Weniger Bohnen, gröber mahlen, weniger Wasser: Die Formel für besseren Espresso

Viel hilft viel? Das stimmt bei der Espresso-Zubereitung offenbar nicht, haben Mathematiker, Physiker und Materialforscher herausgefunden.

„Aus 14 Böhnchen kocht mein Mümchen, 15 Tassen feinsten Blümchen“ – so lautet eine Kalenderspruchweisheit. Dass sich aus wenig Kaffeebohnen allenfalls dünner, wässriger „Blümchen“-Kaffee machen lässt, erscheint nun mal logisch. Doch eine Forschergruppe aus Mathematikern, Physikern und Materialforschern hat eine Formel für den besten Espresso entwickelt, die dem „gesunden Menschenverstand“ zu widersprechen scheint:

Weniger Bohnen, aber dafür gröber gemahlen – das mache den „caffè espresso“, wie man in Italien sagt, besser, weil es Schwankungen im Geschmack von Espresso zu Espresso verhindere, ohne dabei aber an Stärke einzubüßen. Und obendrein sei das Ganze auch noch günstiger, schreiben die Forscher im Fachblatt „Matter“.

Bei dem Versuch, die richtige Mischung von Bitterstoffen und Säure zu erreichen, mahle die Kaffeeindustrie die Kaffeebohnen in der Regel sehr fein – zu fein, sagt der Computer-Chemiker Christopher Hendon von der Universität Oregon. Dadurch werde das Geschmacksergebnis, zumindest wenn der Espresso in den gängigen Maschinen gebraut werde, „weder vorhersagbar noch reproduzierbar“.

Weniger ist mehr

Es erscheint widersinnig, aber die Experimente und Modellrechnungen der Forscher zeigten, dass eine Reihe von Espresso-Aufgüssen erst dann eine hinreichend gleichbleibende Qualität hat, wenn man „weniger Kaffee verwendet, der gröber gemahlen ist“, so Hendon.

In der Regel – empfohlen etwa vom „Konsortium zum Schutz des Traditionellen Italienischen Espressos“, CTCEIT – werden in den Espressomaschinen pro Portion etwa sieben bis neun Gramm Bohnen zu einem sehr feinen Kaffeemehl zermahlen, durch das dann unter hohem Druck heißes Wasser oder Wasserdampf gepresst wird. Dabei werden die Aromastoffe aus den Bohnen extrahiert und landen im Getränk.

Die Forscher untersuchten die Prozedur gemeinsam mit einem Barista und stellten sie in Simulationen am Computer nach. Keine leichte Aufgabe, da es sich bei gemahlenem Kaffee um Millionen unterschiedlich großer und geformter Bruchstückchen der Bohnen handelt, die mal mehr oder weniger eng in die Espressomaschine gepresst werden.

Um diese Situation korrekt zu simulieren, bräuchte es „mehr Computerpower als Google“ zur Verfügung habe, sagt Jamie Foster, Mathematiker an der Uni Portsmouth in Großbritannien. Um das Problem zu lösen, verwendeten die Forscher bewährte Simulationen, die für das Verhalten von Ionen in Akkuelektroden entwickelt wurden. Die Ergebnisse der Computertests überprüfte das Team dann in Experimenten und fand heraus, dass die Standardmethode nicht optimal ist.

Zu fein gemahlenes Pulver behindert die Extraktion der Aromen

Das fein gemahlene Kaffeepulver etwa wirke verstopfend, so dass das heiße Wasser die Aromastoffe nur unzureichend herauslöse, was zu den ungewollten Variationen im Geschmack von „caffè“ zu „caffè“ und zu „Materialverschwendung“ führe.

Nach „tausenden“ von Versuchen meint das Team von Forschern aus Großbritannien, der Schweiz, Irland, Australien und den USA nun die richtige Körnung für den immer gleich guten Geschmack gefunden zu haben. „Ein Weg, die Extraktion zu optimieren und Reproduzierbarkeit zu erreichen, ist gröber zu zermahlen und weniger Wasser zu verwenden“, sagt Hendon, „ein anderer ist, einfach die Kaffeemenge zu reduzieren.“

Baristas kleiner Cafés könnten künftig „einige tausend Dollar“ sparen, wenn sie die Kaffeemenge von 20 auf 15 Gramm pro Espresso reduzieren, die gesamte Kaffeeindustrie der USA sogar 1,1 Milliarden, rechnen die Forscher vor. Allerdings, gibt Hendon zu bedenken, gebe es natürlich nicht den „einen optimalen Espresso“. Und es seien viele Faktoren, die den Geschmack beeinflussen.

Der „caffè“ muss aussehen wie ein „Mäuseschwänzchen“, wenn er aus der Maschine fließt

Etwa die Zeit, die das heiße Wasser im Verlauf der Prozedur bekommt, um die Aromastoffe aus den Bohnen zu holen. „Die Zeit ist eine zentrale Größe für den guten Espresso“, sagt Giorgio Caballini di Sassoferrato, Präsident der CTCEIT. „Für Qualität braucht der Auszug der Aromen um die 25 Sekunden, vielleicht ein paar Sekunden mehr oder weniger.“ Ein Zehn-Sekunden-Drink, wie ihn die Formel der Forscher um Hendon vorschlagen, sei „kein Espresso“.

Allerdings versteht man nicht mal überall in Italien unter einem „caffè espresso“ immer das Gleiche, mal ist er dicker, mal dünner, mal wird das Wasser eher 96 Grad heiß, mal nur 90 Grad. Nur die Crema, der feinporige Schaum auf dem Gesöff, gilt wohl überall erst als „perfetto“, wenn sie mindestens zwei Minuten nach dem Aufbrühen stehen bleibt. „Wenn der Espresso aus der Maschine fließt, soll er so aussehen wie ein Mäuse-Schwänzchen, wie eine coda del topolino, so sagt man in Italien“, doziert Giovanni Burgarella, der in München die „Università del Caffè“, die Schulungsstätte einer Kaffeefirma, leitet. „Dann wird die Crema haselnussbraun und fein.“ Zu den Ergebnissen der Forschergruppe sagt er nichts, für ihn gebe es hingegen vier „Grundsäulen“, die „die vier großen M“ für die Zubereitung eines „wirklich guten Espressos, dessen Aromen man noch 30 Minuten danach im Mund schmeckt“: Das sei die Mischung des Kaffees, die Mühle, die Maschine – und der Mensch. (mit dpa)

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