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Historische Werbung Erbsenwurst, Quelle: Privat

© privat

Die Erfindung der Erbswurst 1876: Wie ein Berliner Koch ganze Armeen satt bekam

In Folge 17 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über Berlins Wirtschaftsgeschichte dreht es sich um die Mutter aller Fertigsuppen. Ende 2018 stellte die Firma Knorr die Produktion ein.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

Als vor fünf Jahren ein deutscher Lebensmittelhersteller die Produktion dieses urdeutschen Grundnahrungsmittels einstellte, ging eine Ära zu Ende: die Erbswurst. Sie enthielt eine getrocknete und in Darmschläuche gepresste (später in Papier gewickelte) Mischung aus im Fett gekochten Erbsenmehl, Speck, Zwiebeln und Gewürzen. Es war die Mutter aller Fertigsuppen, sie begleitete die Nation 150 Jahre lang – in guten wie in sehr schlechten Zeiten.

Entwickelt wurde die Erbswurst 1867 von dem Berliner Koch und Präservenfabrikanten Johann Heinrich Grüneberg und wurde schnell eine beliebte Speise in unzähligen Haushalten und Grundlage für viele Mahlzeiten. Sie blieb lange haltbar, brauchte keine Kühlung, war leicht zu transportieren und noch einfacher zuzubereiten: rein ins kalte Wasser, umrühren, kochen und fertig!

Die preußische Armee entdeckte die Erbswurst als Verpflegung der Truppen schnell für sich. Fabrikant Grünberg hätte die Chance, einen Vertrag mit dem Ministerium zu unterschreiben, gerne sofort ergriffen, erst musste sich seine „Grünebergerin“ aber auf ihre „Schlachtfeldtauglichkeit“ testen lassen.

Dafür stellte die Armee zwei Erbswurst-Kommandos auf, die je aus einem Offizier, einem Feldwebel und 20 Gefreiten bestanden. Sechs Wochen lang bekamen die Soldaten ausschließlich Erbswurst-Suppe und Schwarzbrot zu essen, bei voller physischer Belastung. Das Experiment war ein Erfolg – die Erbswurst brachte Herrn Grüneberg nicht nur Ruhm, sondern auch viel Jeld ein: stolze 35.000 Taler (heute fast eine Million Euro) bezahlte ihm der preußische Staat für sein Patent.

Die Patenturkunde: Heinrich Grüneberg ließ Konzept und Rezept schützen. Das Dokument stammt aus dem Jahr 1870.

© digi.ub.uni-heidelberg.de

Fortan presste die Königlich preußische Fabrik für Armeepräserven in der Kurfürstenstraße fast 75.000 Erbswürste pro Woche, aus jeder konnte drei Portionen Suppe gekocht werden. Dafür verbrauchte die Fabrik täglich über 25 Tonnen Erbsmehl und opferte fast 100 Ochsen.

In einem Tagebucheintrag schrieb Baronin Hildegard von Spitzemberg, einer damals bekannten, aber ansonsten wenig unterhaltsamen Berliner Autorin („heute wieder bei Bismarcks gegessen“), in ihrer Schlachterei würden täglich 80 Tiere für diese „Wurst“ zerhauen und entbeint. Bald musste man die Herstellung noch weiter ankurbeln – auf 65 Tonnen Erbswurst pro Tag.

Andere Armeen bekamen Wind von der Berliner Fertigsuppe und wollten ebenfalls beliefert werden. Darunter sogar Frankreichs Streitkräfte (mit denen Preußen dank Bismarcks Bemühungen bald wieder im Krieg standen), auch Armeen in Großbritannien und Russland meldeten Bedarf an. Die Grüneberg’sche Erbswurst reiste sogar über den Atlantik und durch die USA bis nach San Francisco.

Die Produktion der Erbswurst wurde vom Hersteller Knorr Ende 2018 eingestellt.

© Wikipedia

Dort wie hier kam die Erbswurst auch bei der zivilen Bevölkerung gut an. Einfach und schnell aufzuwärmen, lieferte sie eine wertvolle Mahlzeit, die ganz wunderbar in den Arbeitstag von Familien passte. Im Jahr 1889 verkaufte Preußen das Patent an die Heilbronner Firma Knorr. Die zehrte fast 130 Jahre gut davon, stellte die Produktion erst Ende 2018 wegen zu geringer Nachfrage ein.

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