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Franziska Giffey spricht auf der Social Economy Konferenz

© Ana Torres Photography

Rendite ist zweitrangig: 20 Prozent der deutschen Sozialunternehmen sitzen in Berlin

Der Wohnungskrise etwas entgegensetzen oder regionale Lebensmittel per App vermarkten: Auf der Social Economy Berlin Konferenz tauschen sich Gründer sozialer Unternehmen aus.

Franziska Giffey klingt ein bisschen stolz, als sie zu Beginn der Social Economy Berlin Konferenz am Dienstagnachmittag zu ihrem Grußwort ansetzt: „Nirgendwo in Deutschland werden mehr Soziale Unternehmen gegründet als in Berlin.

Ganze 20 Prozent der Sozialen Unternehmen Deutschlands befinden sich im doch recht kleinen Bundesland Berlin. Sieben Milliarden Euro erwirtschafte dieser Sektor pro Jahr, berichtet die SPD-Wirtschaftssenatorin. Hier in Berlin sei die Soziale Ökonomie wie in keiner anderen Stadt Deutschlands zu Hause.

Soziale Geschäftsideen bei der Social Economy Berlin Konferenz

Das finden die meisten Teilnehmenden der Konferenz wohl auch: Hier sitzen die Gründerinnen von Unternehmen, die digitale Direktvermarktung von regionalen Lebensmitteln über eine App nach vorne bringen wollen oder die Geflüchtete durch die Beschäftigung in einer Küche für Gemeinschaftsverpflegung integrieren.

Andere versuchen, der Wohnungskrise etwas entgegenzusetzen, indem sie über eine Stiftung Liegenschaften ankaufen, in eine gemeinwohlorientierte Nutzung überführen und so dem Markt entziehen.

Noch jemand anderes hat einen Lieferdienst auf die Beine gestellt, bei dem die Fahrer auf ökostrom-betriebenen Elektro-Lastenrädern Pakete und Waren ausliefern, und das auch noch zu fairen Arbeitsbedingungen, so erzählt er jedenfalls. „Damit wir endlich keine Märchen mehr erzählen müssen, wie die Pakete an Weihnachten nachhause kommen“, witzelt er und zeigt ein Bild von einem Weihnachtsmann mit seinem Schlitten.

Unternehmer verfolgen eine soziale Zielsetzung

Gemeinsam ist all diesen Unternehmungen, dass hier anders gewirtschaftet werden soll als in normalen Wirtschaftsunternehmen: Die Rendite steht nicht im Vordergrund. Der Gewinn, oder zumindest maßgebliche Teile des Gewinns, werden wieder in die soziale Zielsetzung des Unternehmens investiert. Die Rechtsformen sind ganz dabei unterschiedlich: Von der ganz normalen GmbH über die gemeinnützige, also gGmbH, von Genossenschaften, Stiftungen bis zu eingetragenen Vereinen ist alles dabei.

„Die Zivilgesellschaft wird in dem Moment unternehmerisch tätig, wenn sie ein gesellschaftliches Problem sieht, das sonst von niemandem gelöst wird“, sagt Heike Birkhölzer. Das kann in ganz unterschiedlichen Bereichen sein: im Klimaschutz, im Bildungsbereich, im Gesundheits-, Ernährungs- oder im Gebäudesektor.

Unser Ziel ist es nicht, in der Nische zu bleiben, sondern die Wirtschaft zu transformieren.

Afra Gloria Müller, Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) 

Birkhölzer ist selbst Sozialunternehmerin, aber auch Projektleiterin bei Social Economy Berlin (SEB), einer von der Senatswirtschaftsverwaltung unterstützen Plattform, die die Konferenz ausrichtet. SEB unterstützt Soziale Unternehmen in Berlin bei der Gründung und Weiterentwicklung, vernetzt und arbeitet an der Sichtbarkeit dieses neuen Wirtschaftssektors.

Seit drei Jahren existiert die Plattform, finanziert ist sie bis Ende dieses Jahres. Wie es danach für die Plattform weitergeht, ist nicht ganz klar: Im neuen Koalitionsvertrag steht zwar, dass „Social Entrepreneurship“ gefördert werden soll, aber die Social Economy Berlin als Plattform ist nicht erwähnt. Und auch Franziska Giffey, die immerhin direkt von der Senatspressekonferenz zum beschlossenen Haushaltsentwurf zur Konferenz gekommen ist, hat keine festen Zusagen im Gepäck.

Bundesweite Strategie soll Branche vorantreiben

Auch zwei Vertreter von Bundesministerien sitzen auf dem Podium, außerdem eine Vertreterin der OECD. Auf Bundesebene wird gerade von Wirtschafts- und Forschungsministerium an einer Strategie für Soziale Innovation und gemeinwohlorientierte Unternehmen gearbeitet, die Mitte September vorgestellt werden soll. Darin wird es unter anderem darum gehen, die Branche klarer von der gewinnorientierten Wirtschaft abzugrenzen, genauso wie vom reinen Wohlfahrtssektor und auch eine neue Förderstrategie für soziale Innovationen zu erarbeiten.

Bislang war anscheinend noch nicht mal die Datenlage ganz klar, berichtet Stefan Profit vom Bundeswirtschaftsministerium: „Nur, wenn wir wissen, wie viele Unternehmen gemeinwohlorientierte Sozialunternehmen werden denn gefördert werden über unsere Zuschuss- und über Finanzierungsprogramme, können wir auch sagen, ob wir mit diesen Programmen erfolgreich sind.“

Klare Daten und Regelungen dürften auch wichtig sein, wenn der sozialökonomische Sektor weiter an Aufmerksamkeit gewinnt: Die Versuchung, aus einem sozialen Image am Ende doch vor allem ökonomisches Kapital schlagen zu wollen, ist sicherlich da, zum Beispiel, wenn wegen ihres sozialen Zwecks geförderte Unternehmen im Anschluss doch an ein gewinnorientiertes verkauft wird, worauf eine Frau aus dem Publikum hinwies.

Afra Gloria Müller vom Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) hofft aber auf das Gegenteil: dass ein sozialunternehmerisches Mindset auch in „normale“ Wirtschaftsbereiche hineinwirkt: „Unser Ziel ist es nicht, in der Nische zu bleiben, sondern die Wirtschaft zu transformieren.“

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