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Der Heimathafen Neukölln startet ein Bürger:innentheater.

© Verena Eidel

Neuköllner Heimathafen startet Bürgertheater: Erfahrungen rund um Dating und Liebe gesucht

Das Neuköllner Theater will sich weiter für den Kiez öffnen und startet ein Projekt für die Nachbarschaft. Den Auftakt macht das „Love Café“ mit Geschichten rund um die Liebe.

Das wahre Leben schreibt die besten Geschichten. Auf dieser Erkenntnis baut der Heimathafen sein neuestes Projekt auf: Mit dem „Kiezklub“ startet das Neuköllner Theater sein erstes Bürger:innentheater. Die Idee ist simpel: Menschen aus der Nachbarschaft spielen unter professioneller Anleitung Theater – in einem Stück, das ihre eigenen Lebenserfahrungen widerspiegelt.

Entwickelt haben den Kiezklub die beiden Theatermacherinnen Sophia Keßen und Margret Schütz. Keßen hat ähnliche Projekte zuvor in Dresden angeleitet. „Ich mache viele Performances, in denen Biografien auf der Bühne stehen oder verhandelt werden – also Menschen ihre eigenen Geschichten erzählen“, erzählt sie bei einem Kaffee im Café Rix direkt neben dem Theater.

Als Keßen vor drei Jahren nach Berlin zog und eine der Macherinnen des Heimathafens kennenlernte, entstand die Idee einer Bürger:innenbühne. „Uns ist aufgefallen, dass es so etwas in Berlin noch nicht so richtig gibt. Und wir dachten: Wo, wenn nicht in Neukölln?“, sagt sie. Der Kiezklub ist der erste Versuch, eine Bürger:innenbühne zu etablieren.

Künftig sollen zwei Projekte pro Spielzeit stattfinden, bei denen Bürger:innen gemeinsam mit unterschiedlichen Regieteams Inszenierungen zu verschiedenen Themen entwickeln. Nach einer mehrwöchigen Probenphase werden die Stücke am Ende als eine Art Werkschau vor Publikum vorgeführt.

Den Auftakt macht nun das „Love Café“: Ein Projekt zu allen Themen rund um die Liebe. „Wir dachten, das ist ein Thema, zu dem jede erwachsene Person schon einmal Erfahrungen gesammelt hat“, sagt Sophia Keßen. „Gleichzeitig ist das auch ein sehr spannendes Thema, weil das einerseits sehr individuelle Themen sein können – die uns andererseits aber auch viel über gesellschaftliche Zusammenhänge erzählen.“

Theatermacherin Sophia Keßen ist eine der beiden Leiterinnen des Kiezklubs.

© Apollonia Bitzan

Da gehe es dann etwa darum, zu schauen, wie sich Liebesbeziehungen, Dating oder auch das bloße Kennenlernen in unterschiedlichen Altersstufen und Lebenswelten abspielen und abgespielt haben.

Das Projekt startet mit einer Entwicklungsphase: Zunächst sollen sich die Teilnehmenden gegenseitig oder auch Menschen in ihrem Umfeld interviewen. Auf Basis der Gespräche werden dann einzelne Themen und das ganze Stück generiert. In dem treten die Teilnehmenden dann als Darsteller:innen auf.

Im Stück verbinden sich Fiktion und Wirklichkeit

„Das Konzept ist nicht, dass am Ende eine Person alleine auf der Bühne steht und erzählen muss, wie furchtbar ihr letztes Date war“, sagt Keßen. Stattdessen würden sich eigene und fremde Schilderungen zu einer autofiktionalen Erzählung verbinden.

Dazu kommt das Setting: Die Stücke werden interaktiv angelegt, machen also auch das Publikum zum Teil der Erzählung. So soll es auch keine separate Bühne geben, sondern Darsteller:innen und Publikum sitzen wie in einem Café – daher auch der Name – nebeneinander.

Raus aus der eigenen Filterblase, das ist ein großer Punkt am Theatermachen allgemein, aber gerade auch beim Bürger:innentheater.

Projektleiterin Sophia Keßen

Wichtig ist den Theatermacher:innen, dass Menschen aus verschiedenen Generationen und Gesellschaftsschichten aufeinander treffen. „Das ist gerade das Spannende für mich: unterschiedliche Menschen zusammenzubringen und vielleicht auch ungewöhnliche Begegnungen zu initiieren“, sagt Keßen. „Raus aus der eigenen Filterblase, das ist ein großer Punkt beim Theatermachen allgemein, aber gerade auch beim Bürger:innentheater.“

Das sorge natürlich für Diskussionen und teils auch Konflikte innerhalb der Gruppe. Zentral sei aber immer, dass ein Raum entstehe, in dem alle einander erzählen und zuhören können. „So ein Theaterstück wirkt dann wie ein Brennglas, in dem wir verhandeln, wie wir als Gesellschaft gemeinsam leben wollen“, sagt Sophia Keßen.

Theater als Schutzraum

Das setze eine gewisse Toleranz voraus, sei aber auch ein wichtiger Lernprozess für alle Beteiligten. Teils würden Teilnehmer:innen aber auch erstmals feststellen, dass sie mit ihren Erfahrungen, ihren Ansichten gar nicht so alleine sind, wie sie bislang dachten.

Zugleich wirkt das Theater wie eine Art Schutzraum für die Teilnehmenden: Durch das Wechselverhältnis von Inszenierung und Wirklichkeit sei ja nie so richtig klar, was jetzt wahr ist und was Fiktion. Dadurch könne man auch eigene Erlebnisse aussprechen, die man sonst öffentlich nicht einfach so erzählen würde.

Eine Bereicherung sei das Bürger:innentheater aber auch für das Theater selbst, ist sich Keßen sicher: Durch den offenen Ansatz kämen vielleicht auch Menschen ins Haus, die etwa mit dem klassischen Sprechtheater weniger anfangen können. „Das ist einer von verschiedenen Schritten, mit denen wir den Heimathafen weiter für den Kiez öffnen wollen“, sagt Keßen.

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