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Berlin: Das neue Einbürgerungsrecht bringt neue Probleme bei der Namensgebung für Kinder mit sich

"Ugur (Urr ausgesprochen) ist doch ein geläufiger Name", sagt Katrin Baumgart vom Standesamt in Neukölln. Den türkischen Jungennamen, der für hiesige Ohren vielleicht recht ungewöhnlich klingt, muss sie nicht einmal im internationalen Namensbuch nachschlagen.

"Ugur (Urr ausgesprochen) ist doch ein geläufiger Name", sagt Katrin Baumgart vom Standesamt in Neukölln. Den türkischen Jungennamen, der für hiesige Ohren vielleicht recht ungewöhnlich klingt, muss sie nicht einmal im internationalen Namensbuch nachschlagen. Denn alle Babys, die in dem Bezirk geboren werden, erhalten bei ihr eine Geburtsurkunde und damit auch die Erlaubnis, so heißen zu dürfen. Auch Namen von Mädchen wie Dilara und von Jungen wie Can (Djan ausgesprochen) sind ihr nicht fremd, weil sie in ihrem Bezirk zur Zeit sehr gefragt sind. Aber auch ältere Namen wie Fatma und Ali sind ihr gut bekannt, vor allem deshalb, weil der letztgenannte in ihrem Bezirk in der Beliebheitsskala an dritter Stelle steht.

Normalerweise können Menschen mit einem anderen Pass ihr Kind nennen wie sie möchten, sofern die Behörden des Heimatlandes keine Einwände haben. Das neue Staatsbürgerschaftsrecht bringt jedoch neue Namensprobleme mit sich, weil das Gesetz neugeborenen Kindern von Ausländern, die mindestens acht Jahre hier rechtmäßig leben, automatisch zwei Pässe ermöglicht. In Bielefeld ist nun ein Fall bekannt geworden, bei dem ein türkisches Ehepaar die neugeborene Tochter nicht "Seren" nennen durfte, weil der Name in der türkischen Namensliste als geschlechtsneutral angegeben ist. Bei der Bielefelder Familie war dieser "Eingriff" möglich, weil das neugeborene Kind Doppelstaatler ist. Denn in diesen Fällen ist für die deutschen Behörden das hierzulande geltende Namensrecht vorrangig, das unter anderem besagt, dass an dem Namen das Geschlecht des Kindes zu erkennen sein muss. So bat das Standesamt in Bielefeld die Eltern, dem Kind noch einen zweiten, eindeutig weiblichen Namen zu geben, weil dies auch beispielsweise bei Kai, Sascha und Kim der Fall sei - nach türkischem Recht ist das nicht notwendig. Das allerdings wollten die Eltern nicht und entschieden sich letztendlich für den Namen "Jaren", der im türkischen Namensverzeichnis als weiblich gilt.

"Wir können die Leute nicht dazu verdonnern, ihre Kinder Paul oder Maria zu nennen", sagt Standesbeamtin Baumgart zu dem Einwand, dass selbst ein Muttersprachler kein Geschlecht zwischen den beiden Namen heraushört. Deshalb würden sich die Standesämter an den Verzeichnissen der jeweiligen Länder orientieren. Denn auch in Berlin würden Standesämter so entscheiden wie in Bielefeld, bestätigt der Leiter der Aufsichtsbehörde der Standesämter Wolgang Quandt. Der Blick in die Listen anderer Länder ist aber auch aus einem anderen Grund notwendig, weil beispielsweise Staaten wie die Türkei, die die Spannbreite der möglichen Namen sehr eng abstecken, die eigene Staatbürgerschaft verwehren können, wenn das Kind nur den Namen aus einem anderen Kulturkreis bekommt. Ausnahmen werden nur bei Staatsbürgern jüdischen und christlichen Glaubens gemacht.

Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. Namen wie Ahmed, Mohammed (arabisch), Ahmet und Mehmet (türkisch) kommen bei immer mehr Ausländern aus der Mode. Sie bevorzugen ohnehin international klingende Namen wie Aylin, Denis und Yasemin. Und schließlich gibt es auch noch die Möglichkeit von Doppelnamen. Wie wäre es in Zukunft zum Beispiel mit Benjamin und Maria (aus der Bibel) und Bünjamin und Meryem (aus dem Koran)? Für eingebürgerte Ausländer gelten natürlich die gleichen Gesetze wie für Alt-Deutsche. Sie müssen nachweisen, dass es den ausgewählten Namen irgendwo auf der Welt tatsächlich gibt. So ist zum Beispiel der Doppelname Max Xam zumindest in Berlin erlaubt, doch bizarre Vornamen wie High Noon und B.Müller haben auch hier keine Chance. Auch Venus als Vorname für einen Jungen ist, zumindest nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Schöneberg, noch Tabu. Auch wenn die Venus ein Planet ist und als Substantiv einen männlichen Artikel trägt. "Noch" deshalb, weil zum Beispiel Andrea und Jesus nun auch möglich ist. Berlin folgt dabei einer Entscheidung des Frankfurter Oberlandesgerichts.

Auch umgekehrt ist zum Beispiel für viele eingebürgerte Türken nicht vorstellbar, dass ihre Kinder nichttürkische Namen tragen. Auch wenn die Namen international klingen, sind sie eben doch türkisch. Doch auch hierbei ändern sich die Zeiten, denn mindestens zwei Spezies einer anderen Sorte gibt es bereits in Berlin. Der 12 Wochen alte Ernesto und die 15 Monate alte Helen sind türkischstämmige Deutsche.

Suzan Gülfirat

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