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Berlin: Das Schulsterben geht weiter – auch bei Gymnasien Aktuell sind rund 20 Standorte betroffen,

darunter eine Millioneninvestition in Johannisthal

„Bitte helfen Sie uns!“ – so beginnt ein Brief, den Zehntklässler des Pankower Gauß-Gymnasiums gerade an die Öffentlichkeit gerichtet haben. Sie wollen nicht hinnehmen, dass sie nach den Ferien auf andere Schulen verteilt werden, möchten wenigstens als Klasse zusammenbleiben. Ob das klappt, ist unklar. Klar aber ist, dass ihre Schule von der Landkarte verschwindet, weil in Buch der Nachwuchs fehlt. Klar ist auch, dass das Schulsterben in ganz Berlin weitergeht.

Denn nach aktuellen Prognosen ist der Schülerrückgang noch immer nicht gestoppt: Von 400 000 Schülern nach der Wende sind jetzt 313 000 übrig. Bis 2015 geht die Zahl weiter auf 286 000 zurück. Allein Marzahn-Hellersdorf verlor rund 70 Prozent seiner Kinder, in Bezirken wie Lichtenberg sind es rund 50 Prozent – so wie im ganzen Osten der Republik. Nachdem zunächst nur Grundschulen überflüssig wurden, sind es jetzt auch die Oberschulen bis Klasse 10 und die gymnasialen Oberstufen. Allein bis 2008 gehen die Schülerzahlen in den weiterführenden Schulen um 13 000 zurück.

Was das bedeutet, spürt nicht nur das Gauß-Gymnasium am eigenen Leibe, sondern aktuell auch rund 20 weitere Schulen. So herrscht am Johannisthaler Gebrüder-Montgolfier-Gymnasium Verzweiflung, weil mangels Nachwuchs keine neuen siebten Klassen aufgemacht werden können. Dabei werden gerade acht Millionen Euro an dem Standort verbaut, weil der Ortsteil Johannisthal nach dem Willen des Bezirks aufgewertet werden sollte. Man habe ein Zeichen gegen die Neonazis setzen wollen, die dort stark sind, hieß es damals zur Begründung für die opulente Geldspritze. Erst Anfang 2007 wurde die Namensgebung gefeiert, was den Neubeginn nach der vorangegangenen Fusion des Jacques-Cousteau- mit dem Ernst-Friedrich-Gymnasium markieren sollte. Damit die acht Millionen Euro nicht vergeblich ausgegeben werden, liebäugelt Stadtrat Dirk Retzlaff (SPD) jetzt mit dem Gedanken, dort eine Gemeinschaftsschule zu begründen.

Auch in Marzahn-Hellersdorf gibt es noch immer zu viele Schulen. Allein jetzt schließen drei – Mahatma-Gandhi-, Erasmus-von-Rotterdam- und Alfred-Döblin-Schule –, und im nächsten Jahr werden aus vier Gymnasien per Fusion zwei. Unterm Strich werden dann von ehemals 100 Schulen 54 übrig sein, rechnet Schulstadtrat Stefan Komoß (SPD) vor.

Nach wie vor sind fast nur die östlichen Bezirke von dem Schulsterben betroffen. Erst mittelfristig kommt der Westen „dran“. Diesen Sommer schließen nach Angaben der Senatsverwaltung für Bildung in den West-Bezirken nur die Tempelhofer Malteser- und die Steinwald-Grundschule. Ansonsten wird in Prenzlauer Berg die Martin-Luther-King-Gesamtschule „aufgehoben“, in Mitte werden Max-Planck- und Charles-Darwin-Gymnasium zusammengelegt. In Lichtenberg müssen Kant- und Forster-Gymnasien bis 2010 fusionieren, weil das Coppi-Gymnasium sich der Fusion widersetzt hatte. Das Forster-Gymnasium hat bereits eine Fusion hinter sich. 2008 müssen noch zwei Gesamtschulen fusionieren. „Dann sind wir Gott sei Dank durch“, sagt Lichtenbergs Bildungsstadträtin Kerstin Beurich (SPD).

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