zum Hauptinhalt
Abiturient:innen 2023

© Aleksandra Lebedowicz

Berlins Abitur 2023: 14.000 Namen – 14.000 Geschichten

Als der diesjährige Abiturjahrgang zur Schule kam, schien die Welt noch einigermaßen überschaubar. Aber dann schwappten die Folgen von Flucht, Corona und Ukraine-Krieg nach Berlin.

Knapp 3400 Kilometer liegen zwischen der Schule, in der Bilal Osso Lesen und Schreiben lernte, und der Schule, in der er vergangene Woche seinen Abiturball feierte. Dazwischen: Eine Flucht mit 15 Jahren nach Istanbul, mit 16 über das Mittelmeer, danach ein Realschulabschluss mitsamt Lehre in Thüringen.

Es sind Geschichten wie diese, die in der diesjährigen Abiturbeilage zusammenschnurren zu winzigen Namen, aber hinter jedem dieser Namen stehen viele kleine Erzählungen von Erfolgen und Misserfolgen, von kleinen und großen Anstrengungen, vom Corona-Horror und der langsamen Rückkehr in die Normalität; in jedem Fall aber am Ende ein Erfolg, denn sonst wären diese Namen ja nicht in unserem Heft gelandet, der in der morgigen Printausgabe (7. Juli) erscheint.

Die Abiturbeilage ist am 7. Juli am Kiosk erhältlich.

© Tsp

„Mein größter Traum war immer, in der Schule erfolgreich zu sein“, sagt Bilal. Das hat ihn angetrieben, nachdem seine Schule in Aleppo zerstört worden war, und auch in dem Jahr in der Türkei, wo er keine Schule besuchen konnte. Das hat ihn durchhalten lassen, als er in einer thüringischen Kleinstadt ohne seine Familie erstmal anfangen musste Deutsch zu lernen, und als er später in Berlin für das Abitur paukte.

Mein größter Traum war immer, in der Schule erfolgreich zu sein.

Bilal Osso, Neuköllner Abiturient aus Aleppo

„Hier hat mir keiner das Gefühl gegeben, nicht hier aufgewachsen zu sein“, beschreibt Bilal sein Grundgefühl an der Lise-Meitner-Schule, einem naturwissenschaftlich ausgerichteten Oberstufenzentrum in Neukölln.

Umbrüche wie Bilal haben viele Berliner Abiturientinnen und Abiturienten erlebt. Hunderte von Ihnen sind geflüchtet, Tausende haben unter der Pandemie gelitten und sich oftmals noch immer nicht ganz davon erholt.

„Auch dieser Jahrgang hatte noch massiv mit den Spätfolgen der Schulschließungen während Corona zu kämpfen“, hat der Lichtenberger Lehrer Robert Rauh beobachtet, der seit 20 Jahren das Abitur abnimmt Er kann sich nicht erinnern, dass sich je ein Abiturjahrgang beim Übergang in die gymnasiale Oberstufe „so unvorbereitet“ gefühlt hat – „und als dann die letzten Masken fielen, folgte der nächste Schock: der russische Überfall auf die Ukraine“. Es sei „ein krisengeschüttelter Jahrgang“.

Es ist einer der Jahrgänge, die in der sensiblen Phase der Pubertät von Isolation betroffen waren. 

Arnd Niedermöller, Vereinigung der Oberstudiendirektoren

Diese Einschätzung teilt auch Arnd Niedermöller. Er hat einen guten Überblick als Vorsitzender der Oberstudiendirektoren: „Es ist einer der Jahrgänge, die in der sensiblen Phase der Pubertät von Isolation betroffen waren. Ausgerechnet eine Zeit, die bei vielen mit großen persönlichen Entwicklungen verbunden sind“. Dass dieser Abiturjahrgang diese Herausforderungen gemeistert habe, sei „ ein toller Erfolg“.

Für all jene, die das 13-jährige Abitur abgelegt haben, erinnert Sven Zimmerschied von der Friedensburg-Sekundarschule daran, dass die Auslandsaufenthalte in der Einführungsphase ins Coronaloch fielen. Das Alleinsein in den Lockdownzeiten habe aber offensichtlich kein Auseinanderdriften, sondern danach ein intensiveres Wiederzusammenfinden bewirkt, berichtet er, jedenfalls sei ihm dieser Abiturjahrgang „als ein besonders sozialer Jahrgang aufgefallen“.

Erstmal reisen oder gleich studieren?

Wie der Berliner Abiturschnitt 2023 ausfiel, ist noch nicht bekannt. Geholfen habe, dass es abermals Corona-bedingte Prüfungserleichterungen gab, sagt die 19-jährige Leni Hochfeld, Sprecherin des Abiturjahrgangs an der Wilmersdorfer Paula-Fürst-Gemeinschaftsschule. Dazu gehörte, dass man nicht mit Themen aus allen Semestern rechnen musste: „So wusste man besser, was man vorbereiten sollte“. Leni will jetzt erstmal ein Jahr lang reisen und Musikfestivals besuchen, während Bilal sofort International Business-Administration an der Hochschule für Wirtschaft und Recht studieren wird. Er hat einen Schnitt von 2,0 geschafft.

Bilal Osso floh mit 15 vor dem Krieg in Aleppo und schaffte es allein nach Deutschland und jetzt bis zum Abitur.

© privat

Aber für eine der Abiturientinnen, deren Namen auf den folgenden Seiten abgedruckt sind, wird es keine Zukunft mehr geben. Sie starb in der Nacht des Abiturballs an den Folgen eines Sturzes.

Die tödlich verunglückte Abiturientin besuchte das Rosa-Luxemburg-Gymnasium in Pankow.

© dpa/Christoph Soeder

„Unendliche Trauer. Keine Antwort. Schmerz, der tief geht und nicht weichen wird. Das Rosa-Luxemburg-Gymnasium trauert um eine Absolventin. Tage der Freude endeten jäh. Wir sind in Gedanken bei der Familie der jungen Frau und bei allen Absolventinnen und Absolventen,“ lauten die Worte von Schulleiter Ralf Treptow auf der Homepage des von dem großen Unglück betroffenen Pankower Gymnasiums.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false