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Sandra Paweronschitz, Zeitungszeugen: Klammern ist keine Lösung

Vorerst will die "Zeitungszeugen"-Chefin Sandra Paweronschitz auf das NS-Hetzblatt "Völkischen Beobachter" verzichten.

Frau Paweronschitz, am Donnerstag ist wieder „Zeitungszeugen“-Tag. Wird die neue Ausgabe erneut mit einem Nachdruck des „Völkischen Beobachters“ und einem NS-Propaganda-Plakat erscheinen?



Am Donnerstag wird eine neue Ausgabe „Zeitungszeugen“ erscheinen, allerdings ohne „verfängliches“ Material.

Und danach fängt das Katz-und-Maus Spiel mit Bayerns Behörden wieder an?

Wir haben die nächsten Ausgaben so konzipiert, dass wir unterschiedliche Themen abhaken, ohne dafür den „Völkischen Beobachter“ oder den „Angriff“ zu verwenden. In der Zwischenzeit kann hoffentlich eine für beide Seiten tragbare Vereinbarung gefunden werden.

Viel Kritik richtet sich gegen die Form der „Zeitungszeugen“. NS-Zeitungen und NS- Plakat liegen lose bei und können losgelöst von jedem kritischem Kommentar verwendet werden. Diese Form der Veröffentlichung lässt sich ohne Not ändern, oder?

Die historischen Zeitungen sollen auf dieselbe Art gelesen werden können wie schon 1933. Klar könnte man die unterschiedlichen Zeitungen zusammenheften, was aber die Lesbarkeit der Großformate nicht gerade unterstützen würde. Ich denke auch, dass zwei Heftklammern pro Ausgabe die Diskussion, ob man diese Materialien denn in Umlauf bringen darf, nicht stoppen würden. Es sollte grundsätzlich geklärt werden, ob man den Lesern die Einordnung dieser Inhalte zutraut oder nicht. Ich traue ihnen dies zu. Heftklammern ändern daran nichts.

Wie hoch waren bei den ersten beiden Ausgaben die gedruckte, die verkaufte und die beschlagnahmte Auflage?

Die Startauflage der ersten Nummer lag bei 300 000, davon wurden zwischen 200 000 und 250 000 Exemplare verkauft. Endgültige Zahlen gibt es noch nicht. Von der Auflage der Ausgabe zum Reichstagsbrand mit 150 000 Exemplaren wurden – so die offizielle Auskunft – bisher 2500 beschlagnahmt. Diese wird auf der einen Seite wild nachgefragt, auf der anderen beschlagnahmt, hier aussagekräftige Zahlen zu bekommen, ist noch sehr schwierig.

Wer kauft die „Zeitungszeugen“?

Wie vorausgesagt so ziemlich alle Altersschichten, unterschiedlichste soziale Schichten, Schüler, Studenten, alte Leute, Lehrer. Diese Aussage kann ich bisher über Reaktionen und Rückmeldungen treffen.

Was überwiegt bei den Reaktionen: die Kritik, die Unterstützung oder der Jubel aus der rechtsextremen Ecke?

Eindeutig die Unterstützung. Viele Leute haben uns ihr Wohlwollen zugesichert, zahlreiche Zuschriften sprechen von der einzigartigen Möglichkeit, sich in diese Zeit rückversetzen zu können, die Informationslage der damaligen Bevölkerung nachvollziehen zu können. Von über tausend Zuschriften war etwa eine Handvoll der extremen Rechten zuzuordnen – und ich denke, das ist ein Prozentsatz, den man auf die gesamte Leserschaft aufrechnen kann.

Was sagen Sie zum Vorwurf von Stefan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden, mit den „Zeitungszeugen“ werde nach der Methode „Hitler sells“ kommerziellen Interessen Vorrang vor fundierter Aufklärung gegeben?

Gegenfrage: Glauben Sie, dass sich der ZDF-Historiker Guido Knopp für sein Gehalt und hohe Einschaltquoten rechtfertigen muss? Klar, „Zeitungszeugen“ ist ein kommerzielles Projekt, es soll sich rechnen. „Hitler sells“ könnte man jetzt auch dem „Spiegel“ und jedem Autor eines zeithistorischen Buchs vorhalten, das sich gut verkauft. Die zahlreichen, hochemotionalen Reaktionen auf unser Projekt zählen für mich da weit mehr. Wenn der Nationalsozialismus kein Thema voller Tabus und Emotionen wäre, warum dann die ganze Aufregung? Ich finde es toll, dass sich so viele Menschen damit auseinandersetzen, Pressefreiheit und Zensur diskutieren und sich mit der Vergangenheit ihres Landes intensiv auseinandersetzen. Genau das ist ja Sinn und Zweck des Projekts.

Die Edition „Zeitungszeugen“ erscheint in acht Ländern. In der bereits beendeten Ausgabe in Österreich wurde ebenfalls der „Völkische Beobachter“ nachgedruckt. War die Aufregung ähnlich groß?

In Österreich gab es keinerlei vergleichbare Reaktionen. Das hat, so denke ich, mit zwei Faktoren zu tun. Erstens hat sich Österreich sehr erfolgreich hinter der These versteckt, es wäre das erste Opfer der Nazi-Aggression gewesen und hätte mit den ganzen Verbrechen nichts zu tun gehabt. Das wirkt bis heute nach, „Täterland“ ist nach wie vor nur Deutschland. Zweitens habe ich den Eindruck, dass die Obrigkeitshörigkeit der Österreicher weit ausgeprägter ist als die der Deutschen. In Österreich haben viele Meinungsbildner gesagt: „Tolles Projekt“ – damit war die Sache gegessen.

Das Interview führte Joachim Huber.

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