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In Krisengebieten wie hier im Jemen hat Kaj Larsen regelmäßig recherchiert. Jetzt arbeitet er für die TV-Serie "The Newsroom".

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Porträt: Saures statt Süßes

Für CNN berichtete Kaj Larsen über harte Realität. Dann schloss der Nachrichtenkanal seine Abteilung für investigative Recherche. Jetzt arbeitet der Reporter für einen fiktiven Sender.

Wenn Kaj Larsen, 35, zu seinem neuen Arbeitsplatz geht, muss er manchmal lachen, so absurd kommt ihm die Situation vor. Larsen ist Reporter, fast zwei Jahre hat er für CNN gearbeitet, er berichtete über Piraten in Indonesien, Waffenhandel in Mogadischu, die Drogenmafia in Mexiko. Er hat von der harten Realität erzählt. Jetzt bedient er die Fiktion.

Larsen wurde von CNN entlassen. Im März hat der Sender die Abteilungen für investigative Recherche umstrukturiert, Larsen Bereich wurde geschlossen. Larsen arbeitet nun für „The Newsroom“ – nein, keine andere Nachrichtenredaktion, sondern der Name einer Fernsehserie, die sich um den Alltag in einer Nachrichtenredaktion dreht und in Deutschland über Sky zu empfangen ist. Damit die Serie möglichst echt wirkt, berät Larsen die Drehbuchautoren und Darsteller, gibt ihnen Tipps, wie investigative Recherche inszeniert werden kann. „Das ist schon ein komisches Gefühl“, sagt Larsen im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Telefon. „Dass der einzige amerikanische Sender, der sich offenbar noch für investigative Recherche interessiert, kein echter ist.“

Seit der Sender Comedy Central in der „Daily Show“ vergangene Woche unernst über Larsens ernsten Fall berichtet hat, macht er die Runde in sozialen Netzwerken. Die Empörung darüber, dass ausgerechnet einer der weltweit führenden Nachrichtensender eine so wichtige Abteilung schließt, ist groß. Medienberater Brad Adgate zeigt dagegen Verständnis. „Man muss nicht an irgendeinen abgelegenen Ort der Welt fahren, um jemanden zu interviewen. Man kann auch einfach Skype nutzen und so Geld sparen“, sagt Adgate in dem Satirebeitrag zu Komiker John Oliver, der über Larsens Fall berichtet – und Adgate meint das tatsächlich ernst. Oliver reagierte entsetzt: „Ich weiß nicht, wie viele Kindersoldaten in Sierra Leone Skype benutzen“, zweifelt er Adgates Theorie an. Der zuckt nur mit den Schultern. „Die Zeiten, in denen man um die Welt gereist ist, um Geschichten zu recherchieren, sind vorbei. Es ist zu teuer.“

Was so lustig anzusehen ist, spiegelt nach Larsens Ansicht eine Entwicklung wieder, die für den Journalismus in den USA fatal sei. „Viele Sender argumentieren damit, dass sich die Zuschauer nicht für Auslandsreportagen interessieren“, sagt Larsen. „Aber das ist Quatsch.“

So habe er CNN im vergangenen Jahr eine Geschichte über einen Warlord in Uganda angeboten, zusammen mit Schauspieler Ben Affleck wollte er eine Dokumentation in Afrika drehen und auf das Thema aufmerksam machen. „Die Geschichte hatte alles: Krieg, Celebrities und einen Spezialkräfteeinsatz, aber niemand wollte sie haben“, sagt Larsen, selbst Reservist der Eliteeinheit Navy Seals, dem Tagesspiegel. Kurz darauf macht ein Youtube-Video über genau diesen Warlord die Runde, über Jospeh Kony. Fast 100 Millionen Mal wurde das Video abgerufen – für Larsen ein Beweis, dass das Interesse an Auslandsthemen groß ist: „Ich glaube, dass die Sender bald gezwungen sein werden, wieder umzudenken. Die Menschen sind hungrig nach Informationen, nicht nur nach Süßem wie die neueste Story von den Kardashians, sondern auch nach Substanziellem.“

Solche Geschichten aber seien nicht vom Schreibtisch aus zu recherchieren. „Um zu verstehen, was passiert, muss man vor Ort mit den Menschen sprechen“, setzt Larsen Adgate entgegen. Er will jetzt mit „The Newsroom“ zeigen, wie guter Journalismus aussehen könnte. Aus der Fiktion muss dann nur noch Realität werden. Sonja Pohlmann

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