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Frankreich: Familiendrama um Foltertod des kleinen Nicolas

In Straßburg steht eine Familie vor Gericht, die ihren neunjährigen Sohn wochenlang quälte. Nicolas war im August 2003 zum Prügelknaben der gesamten Familie geworden und musste die schlimmsten Quälereien erdulden, bis es für jede Hilfe zu spät war.

Straßburg - Die Eltern auf der Anklagebank sind sichtlich erschüttert über die Schilderung des Foltertodes ihres neunjährigen Sohnes Nicolas. Dem Vater stehen an diesem ersten Prozesstag am Donnerstag im Straßburger Strafgericht die Tränen in den Augen, seine Ehefrau neben ihm schüttelt ab und zu den Kopf.

Angeklagt sind neben dem Vater (48) und der Mutter (34), die 55 Jahre alte Großmutter und ein 23-jähriger Onkel von Nicolas. Der Junge war im August 2003 zum Prügelknaben der gesamten Familie geworden und musste wochenlang die schlimmsten Quälereien, Misshandlungen, Schläge, Tritte und Prügeleien erdulden, bis es für jede Hilfe zu spät war.

Die Staatsanwaltschaft wirft der Familie Folter und Barbarei mit Todesfolge vor. Bei einer Verurteilung droht den Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe. Das Schwurgericht soll am 27. Januar sein Urteil fällen. "Den Eltern wird jetzt die volle Tragweite ihrer Handlungen klar", sagt ihr Anwalt Florent Girault.

"Die Fakten liegen bei diesem Familiendrama ziemlich klar. Kompliziert sind hingegen die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander, die zu dieser Eskalation der Gewalt bis zum schrecklichen Ende geführt haben", meint er. In der Tat ist die Familie geständig und hat zugegeben, den Kleinen geschlagen, getreten, ihn tagelang an Händen und Füßen gefesselt und ihm kaum etwas zu trinken gegeben zu haben, weil er durch die entsetzliche Behandlung zum Bettnässer geworden war.

"Dies ist das klassische Psycho-Profil von Familien, in denen es zu Gewalt oder auch Inzest kommt", sagt die Vertreterin einer Kinderschutzvereinigung, die den Prozess beobachtet. Es ist auch das Ergebnis von familiärer Gewalt, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Auch Nicolas' Großeltern wurden als Kinder bei den kleinsten Streichen brutal gezüchtigt.

Doch warum hat sich die ungezügelte Aggressivität der Familie ausgerechnet auf Nicolas entladen und seine drei Schwestern verschont? "Der Junge war der einzige, der sich der Allmacht seiner Großmutter widersetzte", sagt Girault. Die kleinwüchsige Portugiesin, die die Verhandlung im Gerichtssaal ohne erkennbare Gefühlsregung verfolgt, betrachtet er als treibende Kraft für das Martyrium des Neunjährigen.

In der beengten Drei-Zimmerwohnung in dem Straßburger Sozialviertel Hautepierre, in der sich vier Erwachsene, vier Kinder, sieben Katzen und drei Schildkröten drängten, "führte sie ein autoritäres Regime, dem sich weder ihre Tochter noch der Schwiegersohn zu widersetzen wagte", meint der Anwalt. Die Großmutter wird in dem Gutachten der Psychiater als "gefühlskalte, egoistische und dominante Person" dargestellt, die den turbulenten und widerspenstigen Jungen als Ventil ihrer eigenen Frustrationen missbrauchte. Als Nicolas starb, war sein Körper mit Prellungen, blauen Flecken und Blutergüssen übersät. (Von Petra Klingbeil, dpa)

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