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Dr. Magnus Heier

© Stefan Braun

Im weißen Kittel: Ein Schleudertrauma heilt besser ohne Halskrause

Die richtige Therapie ist: Die Beweglichkeit durch Krankengymnastik zu trainieren, die Schmerzen durch Wärme oder Kälte und durch Schmerzmittel zu reduzieren und Entspannungsübungen zu probieren.

Eine Kolumne von Dr. Magnus Heier

Es ist manchmal schwer, als Neurologe nicht übergriffig zu werden: Immer wieder sehe ich Menschen mit Halskrause. Die ärztlich korrekte Reaktion wäre, ihnen die Krause abzunehmen. Es ist offensichtlich, dass das nicht geht. Sinnvoll wäre es trotzdem.

In Deutschland erleiden jährlich mehrere Hunderttausend Menschen ein Schleudertrauma - meist bei Autounfällen: Der Kopf wird plötzlich in eine Richtung gerissen, Sehnen und Muskeln am Hals gezerrt. Und allzu oft bekommen die Betroffenen dann eine Halskrause verordnet. Und es klingt ja auch plausibel: Die Krause soll den Hals stützen, Schonung erzwingen, Wirbelsäule und Muskeln entlasten und so Kopf- und Nackenschmerzen vorbeugen.

Längst ist klar, dass das Gegenteil stimmt: Patienten ohne Halskrause, ohne Schonung und ohne mehrwöchigen Krankenschein erholen sich zumeist schneller und leiden seltener unter chronischen Schmerzen, unter Schwindel oder Schlafstörungen. Die richtige Therapie ist: Die Beweglichkeit durch Krankengymnastik zu trainieren, die Schmerzen durch Wärme oder Kälte (je nach individueller Wirkung) und durch Schmerzmittel zu reduzieren und Entspannungsübungen zu probieren.

Eine Stabilisierung des Halses hat nur dann eine Berechtigung, wenn durch den Unfall tatsächlich die Wirbel verletzt wurden, wenn die Stabilität der Gelenke oder die Funktion der Halswirbelsäule beeinträchtigt ist. Aber dann braucht der Patient eine stabilere Stütze als eine weiche Halskrause.

Es ist eine fatale Unsitte, „nur zur Sicherheit“ nach einem Auffahrunfall eine Halskrause zu verschreiben. Sie stabilisiert weniger die Wirbelsäule als das Krankheitsgefühl, sie „katastrophisiert“ die Erinnerung an den Unfall - und kann auch damit Schmerzen chronisch werden lassen. Ruhigstellung ist in der Medizin fast immer der falsche Weg!

Alle bisher erschienenen Folgen der Kolumne „Im weißen Kittel“ finden Sie online auf der Kolumnenseite des Tagesspiegel

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