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Deutschland wird nun erste Panzer des Typs Marder an die Ukraine liefern.

© dpa/ Klaus-Dietmar Gabbert

Kurswechsel bei Ukraine-Hilfe: Aus ethischer Perspektive sind Waffenlieferungen richtig

Die Bundesregierung ringt sich zu Panzerlieferungen durch. Anstatt sich von den Bündnispartnern treiben zu lassen, könnte sie pro-aktiv planen. Ein Gastbeitrag.

Deutschland wird nun doch die viel diskutierten Schützenpanzer vom Typ Marder an die Ukraine liefern. Im Gespräch sind 40 Stück, aus Industriebeständen, geliefert nach der Ausbildung der Besatzungen voraussichtlich bis Ende dieses Quartals.

Die militärische Unterstützung der Ukraine steht der Diplomatie nicht im Wege. Sie schafft vielmehr erst die Voraussetzungen für die erhoffte Lösung am Verhandlungstisch, die kein russischer Diktatfrieden sein darf.

Denn ein solcher Kriegsausgang, das zeigen die von den russischen Streitkräften an der ukrainischen Zivilbevölkerung begangenen Gräueltaten in den besetzten Gebieten, hätte nicht etwa weniger Leid zur Folge. Im Gegenteil. Schon aus ethischer Perspektive sind Waffenlieferungen deswegen richtig. Die Schuld einer unterlassenen Hilfeleistung wöge schwerer.

Gegen Waffenlieferungen spricht auch aus völkerrechtlicher Sicht nichts.

Frank Sauer, Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr München

Gegen Waffenlieferungen spricht auch aus völkerrechtlicher Sicht nichts. Russland ist der Aggressor, und es gibt keine Pflicht zur Unparteilichkeit. Deutschland wird damit, völkerrechtlich gesehen, auch nicht selbst zur Kriegspartei. Dass die russische Führung Deutschland politisch längst als Gegner sieht und sich „im Krieg mit dem Westen“ wähnt, ändert an diesem juristischen Befund nichts.

Anders kann eben selbst ein Putin die Verluste der eigenen Streitkräfte vor der eigenen Bevölkerung nicht mehr rechtfertigen. Auch die Art der Waffen spielt keine Rolle – sofern Deutschland nicht völkerrechtlich verbotene Waffen liefert, was natürlich nicht geschieht.

Russland ist dabei, Soldaten zu mobilisieren und seine Streitkräfte zu rekonstituieren. Der Versuch einer erneuten Offensive ist nicht ausgeschlossen.

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Panzer des Typs Marder sollen an die Ukraine geliefert werden

Wenn die Ukraine neuerlichen Eroberungsversuchen nicht nur widerstehen, sondern ihrerseits weiter besetzte Gebiete befreien will, dann braucht sie die Kombination aus Geschwindigkeit, Panzerung und Feuerkraft, wie der Marder sie bietet – weswegen Kiew bereits seit Monaten derartige Schützenpanzer erbittet.

Mit dem Bradley liefern die USA der Ukraine ein dem Marder mindestens ebenbürtiges Gefechtsfahrzeug. Sollte, was zu erwarten ist, die Variante A2 des Bradley zum Zuge kommen, wäre dieser sogar in Sachen Bewaffnung überlegen.

Die Ära der Sowjetwaffen in der Ukraine ist zu Ende

Die Maschinenkanone des Bradley ist stabilisiert, also deutlich treffgenauer als die des Marder. Zusammen mit seinen TOW-Panzerabwehrlenkflugkörpern kann der Bradley nicht nur sowjetischen Schützen-, sondern sogar Kampfpanzern gefährlich werden, was seit den Kriegen im Irak bekannt ist.

Die Ära der Sowjetwaffen in der Ukraine ist zu Ende.

Frank Sauer, Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr München

Generell gilt: Die Ära der Sowjetwaffen in der Ukraine ist zu Ende. Selbst wenn morgen wie durch ein Wunder der heiße Krieg zwischen den Kriegsparteien enden würde, so wären der politische Konflikt und die berechtigte Sorge vor weiteren Aggressionen aufgrund Putins neoimperialer Gelüste nicht aus der Welt.

Die sicherheitspolitische Realität im Europa nach der Zeitenwende ist, dass Sicherheit – bis auf Weiteres, bedauerlicherweise – nicht mehr mit, sondern gegen Russland organisiert werden muss. Die Ukraine wird also zwangsläufig auch in Zukunft militärische Unterstützung aus „dem Westen“ brauchen.

Diskussion um Leopard-Kampfpanzer längst da

Die nächste Diskussion nach dem Schützenpanzer Marder – nämlich die um deutsche Kampfpanzer des Typs Leopard, vielleicht Leopard 1, vielleicht gleich Leopard 2A4 – ist deswegen nicht nur vorprogrammiert, sondern schon lange da.

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Deutschland könnte also längst pro-aktiv planen, statt sich stets nur von Bündnispartnern und den Geschehnissen in der Ukraine treiben zu lassen. Finnische Abgeordnete fordern die Lieferung des Leopard 2A4. Es ist der am besten geeignete westliche Kampfpanzer, weil er, anders als der französische Leclerc und der britische Challenger, in ausreichender Zahl vorhanden und weniger kompliziert im Betrieb als der amerikanische Abrams ist.

Er wird außer von Finnland und Deutschland noch von Schweden, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen, Spanien und Polen genutzt – wo dank entsprechender Werkstätten auch die Logistik und Instandsetzung eingerichtet werden könnte.

Im aktuellen Falle der Marder-Lieferung deutet alles darauf hin, dass Emmanuel Macron mit der Ankündigung vorgeprescht ist, französische Spähpanzer zu liefern, die auch zur Jagd gegnerischer Kampfpanzer dienen können. Erst danach folgte die gemeinsame Erklärung Washingtons und Berlins, mit Bradley und Marder ihrerseits den nächsten Schritt zu gehen.

Aber Washington sendet bereits seit Monaten das Signal, dass Europa in diesem, „seinem“ Krieg eigentlich stärker gefordert ist. Deutschland leistet sehr viel für die Unterstützung der Ukraine, wirkt dabei aber trotzdem aus Sicht seiner Verbündeten zögerlich, weil es immer erst unter Zugzwang geraten muss.

Die richtige Mischung aus Besonnenheit auf der einen und Entschlossenheit auf der anderen Seite hat Berlin noch nicht gefunden.

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