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Kultur: Biograf der Bestürzung

"Ihr müßt mich noch nicht preisen"Detlef Grumbach Wird schon werden,/ wird alles wieder gut./ Vielleicht nicht hier/ auf Erden und nicht/ mit diesem Blut.

"Ihr müßt mich noch nicht preisen"Detlef Grumbach

Wird schon werden,/ wird alles wieder gut./ Vielleicht nicht hier/ auf Erden und nicht/ mit diesem Blut./ Vielleicht auf einem anderen Stern. Detlev Meyer, der Autor dieser tröstlichen, ohnmächtigen und nicht hoffnungslosen Zeilen, ist tot. Der "einzige Dandy der deutschen Gegenwartsliteratur" (Tagesspiegel) wurde am 12. Februar 1950 in Berlin geboren und starb hier am Samstag. Vor 19 Jahren erschien die erste Gedichtsammlung "Eine Nacht im Dschungel". Es folgten die drei Teile seiner "Biographie der Bestürzung", Gedichtbände, poetische Kurzprosa und präzise beobachtete Feuilletons über den schwulen Alltag. Die "Zeit" nannte ihn einen "Virtuosen des Leichtsinns" und seine Prosa eine "Heiterkeitsdroge". Dabei balancierte der Autor stets hart am Rand des Abgrunds. In seiner Lyrik orientierte Meyer sich an Lasker-Schüler, George oder Rilke, entwickelte aber schnell einen unverwechselbaren Tonfall.

Seine Romane - ein letztes Manuskript "Das Sonnenkind" hat er noch kurz vor seinem Tod abgeschlossen - erzählen die Geschichte seines Alter Ego Detlev Dorn. Selbstverliebt flanierte Dorn durch den schwulen Alltag: hier Geborgenheit in der Beziehung zu seinem Geliebten Viktor, dort die Streifzüge durch die nächtliche Großstadt: Die Welt müßte ihm zu Füßen liegen, aber. . . Während die einen angesichts der Bedrohung durch Aids in hilfloses Schweigen verfielen und andere in Talkshows drauflos plapperten, tastete sich Meyer langsam an die Wahrheit heran.

Bevor es brenzlig wurde, machte er einen Rückzieher, holte noch mal Luft, drehte einmal sogar die Uhr zurück. All die Ängste und die Suche nach den richtigen Worten waren in seinem Werk präsent. Es war zwar zum Heulen, doch Meyer erlöste den Leser durch eine Pointe. Nie aber machte die Heiterkeit den Ernst vergessen. Sein Publikum hat er stets bezaubert: Das kecke "Nicht wahr", mit dem er ein Schmunzeln im Raum aufnahm und sich an der Wirkung der eigenen Texte erfreuen konnte, wird vielen in Erinnerung bleiben. Genauso die Sehnsucht nach Liebe und Freiheit, die Trauer über die Endlichkeit des Seins, der Wille zur Selbstbehauptung, den er verkörperte. Ich bin noch da,/ ich darf sogar verreisen,/ und meinen Koffer trag ich ganz allein!/ Ich bin noch da,/ ihr müßt mich noch nicht preisen. . . In seinem letzten Buch "Stern in Sicht" changierte Detlev Meyer zwischen (mittlerweile) ohnmächtigem Trotz, Beschwörung besserer Tage, Wirklichkeit und Traum. Die Gedichte berühren den Leser - und bei aller Trauer versöhnen sie mit dem Unausweichlichen. Die deutsche Literatur hat einen wichtigen Autor, viele Menschen haben einen großen Freund verloren. © 1999

Detlef Grumbach

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