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Andreas Feininger tanzt mit einer Frau (Gret Palucca?) auf dem Dach des Meisterhauses Feininger.

© T. Lux Feininger, 1927 / 1928 © Stiftung Bauhaus Dessau (I 46054/1-2)

Die Bauhaus-Familie Feininger in Dessau: Tänze auf dem Meisterhaus-Dach

Das Künstlerpaar Julia und Lyonel Feininger verkörperte das Bauhaus in Dessau. Die Fotografien ihres Sohnes Theodore Lux geben private Einblicke in eine Wirklichkeit gewordene Utopie.

Von Bernhard Schulz

Vom ersten bis zum letzten Tag war Lyonel Feininger Meister am Bauhaus, erst in Weimar, dann in Dessau und zum bitteren Ende in Berlin. Keiner war länger bei der Lehranstalt beschäftigt als der Maler aus New York mit deutschen Wurzeln. In Dessau bezog er eine Hälfte eines der drei Meister-Doppelhäuser, die Bauhaus-Gründer und -Leiter Walter Gropius zwischen die Bäume eines waldartigen Grundstücks gestellt hatte.

Mit ihm hielt seine Familie Einzug, die (zweite) Ehefrau Julia und die gemeinsamen Kinder Andreas, Laurence und T(heodore) Lux. Sie wuchsen im und mit dem Bauhaus auf, erlebten in Weimar die hasserfüllten Angriffe der Rechten ebenso wie das Glück von Freiheit und Kreativität in den Werkstätten. 1926 kam der Umzug nach Dessau.

Feiningers Haushälfte wurde zum Mittelpunkt von Leben und künstlerischen Aktivitäten der Familienmitglieder, denn zum einen war Julia in Weimar Gasthörerin am Bauhaus gewesen, zum anderen gingen Andreas und T. Lux in Weimar respektive Dessau in die Lehranstalt. Nur Laurence schlug einen anderen Weg ein; eminent musikalisch, spielte er Klavier und Orgel und studierte später Musikwissenschaft.

Jüngster Schüler und Chronist

T. Lux, 1910 geboren, wurde der Chronist der Familie, deren Aktivitäten – und mehr noch deren Lebensfreude – er mit der Kamera festhielt. Mit 16 der Jüngste aller Bauhaus-Studenten überhaupt, hat er das Leben im Bauhaus-Geist aufgesogen wie kein Zweiter, begeistert von der neuen Architektur von Schulgebäude und Meisterhäusern und doch zugleich dem romantischen Geist seines Vaters am nächsten.

„Die Feiningers wohnen hier zwar nie alle gleichzeitig, kommen aber in Dessau immer wieder zusammen“, heißt es in dem handlichen Bändchen „T. Lux Feiniger und seine Bauhausfamilie“, das die gleichnamige Ausstellung im Meisterhaus begleitet. Sie verdankt sich vor allem den Leihgaben aus dem Besitz von Conrad Feininger, Sohn von T. Lux, der 2011 im biblischen Alter von 101 Jahren verstorben ist und zeit seines Lebens die Erinnerungsstücke der Bauhauszeit gehütet hat. Nicht mehr vorhanden sind leider die Esszimmermöbel, die Andreas, der zunächst eine Tischlerlehre absolvierte, für das Dessauer Domizil schreinerte.

Künstlerin Julia Feininger im Atelier von Lyonel in Dessau.

© T. Lux Feininger Estate / Andreas Feininger, © VG Bild-Kunst, Bonn

Vier kurze Filme werden in der Ausstellung gezeigt, um die in Vitrinen gezeigten Kostbarkeiten in ihren historischen Kontext einzubetten. Der 1871 geborene Vater Lyonel wird als ein Romantiker geschildert, der den Geheimnissen der Natur auf der Spur war, der in der Weite des Meeres unter dem ebenso weiten Himmel sein Sehnsuchtsziel fand und ihm mit Segelboot und Sohn T. Lux nahekam. Für den alljährlich auf gleiche Weise geschmückten Weihnachtsbaum schnitzte der Sohn, wie vor ihm schon der Vater, fantasievolle Figuren, für die Bauhaus-Bühne schuf er 1927/28 Masken.

Julia Feiniger war mehr als nur Künstler-Gattin

Julia, die die gemeinsamen Mittagessen ganz praktisch in die Bauhaus-Kantine verlegte, war mehr als die Managerin des Familienlebens, als die sie – wenn überhaupt – in der Literatur vermerkt wird. Nach Studium an der Großherzoglichen Kunstschule in Weimar – wo sie 1905 ihren zweiten Mann Lyonel kennenlernte – schuf sie ganz erstaunliche Collagen aus farbigen Papieren, die 1912 im Berliner Kunstgewerbemuseum ausgestellt wurden. Zwei davon sind gemeinsam mit einer jüngeren Arbeit jetzt zu sehen und sollten genügen, das überkommene Bild der Künstler-Gattin zu revidieren.

Am meisten aber lebt die Ausstellung in den stets puppenstubenhaft anmutenden Räumen des Meisterhauses – ausgenommen das doppelt hohe Atelier mit großem Nord-Fenster – von den Fotografien von T. Lux. Ihn interessierte, anders als die quasi-offizielle Bauhausfotografin Lucia Moholy, nicht die Architektur als solche, sondern das unbeschwerte Treiben von Familie und Mitstudenten, die er bisweilen auf der Terrasse hüpfend ablichtete, oder auch eine großflächige Pfütze auf dem Flachdach umgehend. Andreas, der später als Fotograf in New York eine Weltkarriere machte, hielt demgegenüber die erstaunlich bürgerliche Inneneinrichtung fest, mit Flügel im teppichbedeckten Wohnzimmer.

Wer das Bauhaus bislang nur als Designschmiede wahrgenommen hat, lernt in dieser kleinen, feinen Ausstellung den vielleicht wichtigeren Gehalt der Dessauer Jahre zwischen 1926 und 1933 kennen: das Bauhaus als Lebensform, als Wirklichkeit gewordene Utopie.

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