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Der Kopf eines Mannes aus Bronzeguss verrät den Einfluss römischer Haarmode (1. Jh.n.Chr.,links.).

© Museum

Kunst: Gold und Geld

Bisher ein weißer Fleck: Das vergessene Kulturland Saudi-Arabien und die spektakuläre Schau „Roads of Arabia“ im Pergamonmuseum.

Der Empfang ist grandios: Drei steinerne Stelen begrüßen einen da, zierlich, doch machtvoll. Über 5000 Jahre sind die figürlichen Grabsteine alt, die vermutlich für Stammesfürsten bestimmt waren. Zwei ovale Kerbungen deuten die Augen an, ein Balken die Nase, dazu die erhabene Lineatur eines Gürtels und eines Brustbandes. In ihrer Einfachheit, ihrer kompakten Formensprache sind die Figuren schlicht überwältigend. Zugleich geht ein stiller Vorwurf von ihnen aus: dass sie hier noch nie gewürdigt wurden, ja völlig unbekannt waren.

Saudi-Arabien, das Herkunftsland der Stelen, war für europäische Museen bislang ein weißer Fleck auf der archäologischen Karte. Allerdings wird auch im Lande selbst die vorislamische Kunst erst seit einigen Jahren entdeckt. Mit der großen Ausstellung „Roads of Arabia“ im Museum für Islamische Kunst soll sich das ändern. Die eindrucksvolle Schau, die nach St. Petersburg, Barcelona und Paris nun in Berlin auf der Museumsinsel Station macht, bevor sie weiter in die USA, nach China und Japan zieht, ist eine Werbeveranstaltung eigener Art. Saudi-Arabien bringt sich als vergessenes Kulturland ins Gespräch, als Drehscheibe für Waren, Ideen und Techniken über die Jahrhunderte hinweg, kurz: als weltoffener Austauschpartner. Und nicht nur als „Erdöl-Lieferant“, wie Ali al-Ghabban, der Vizepräsident der saudischen Behörde für Altertümer und Tourismus und Organisator der Ausstellung, in Berlin mit Nachdruck erklärt.

Was unerwähnt bleibt: Sein Land ist eine absolutistische Monarchie, Freiheit im westlichen Sinne gilt dort nicht viel. Auch dieser Sicht auf Saudi-Arabien will die Ausstellung etwas entgegensetzen, indem sie ein komplexeres Bild zumindest der Landesgeschichte zu vermitteln versucht. Faszinierend sind die Objekte in der Tat, die Inszenierung von irdenen Schalen mit Zickzackmuster, aufwändigem Goldschmuck, bläulich schimmernden Gläsern, opulenten Wandmalereien in einer großartigen Vitrinenlandschaft. Dennoch mischt sich das Staunen mit einem unbehaglichen Gefühl. Spätestens seit der brutalen Niederschlagung des arabischen Frühlings in Bahrein durch saudische Truppen ist der Genuss von Artefakten aus Saudi-Arabien einem verleidet. Argloser Kulturaustausch? Die Kunst hat ihre Unschuld eingebüßt.

In anderer Hinsicht ist die Ausstellung trotzdem ein Glücksfall, füllt sie doch eine Lücke in den Beständen des Pergamonmuseums. Syrien, Jordanien, die Länder rundum sind bestens in den Sammlungen vertreten. Nur Saudi-Arabien fehlt. Beginnend mit den ersten Faustkeilen und steinernen Schabern von vor 1,3 Millionen Jahren wird dessen Geschichte nun im Nordflügel des Pergamonmuseums präsentiert, in dem das Islamische Museum Museum nach dem Umbau residieren wird. Erzählt wird anhand von 350 Objekten „in einem Rutsch“, wie Museumsdirektor Stefan Weber es formuliert. Mekka und Medina bilden den Höhepunkt der Inszenierung. In der Flucht der historischen Achse befindet sich die Tür der Kaaba, dazu der mit goldenen Schriftzeichen bestickte Vorhang.

Die Präsentation der spektakulären Stücke wie in einer Apotheose – bislang blieben sie ausschließlich Pilgern vorbehalten – ist ein Zugeständnis an die Leihgeber des Herkunftslandes, in dem Artefakte der vorislamischen Zeit nur zögerlich akzeptiert werden. Dort beginnt die Zeitrechnung erst mit dem Propheten. Der größte Aplomb der Ausstellung gilt deshalb seinen heiligen Stätten.

Die restlichen Räume klappern eher notdürftig hinterher; der Spannungsbogen flacht schnell ab. Erinnert wird an die ersten abenteuerlichen Besuche europäischer Forscher vor 250 Jahren in der abgeschotteten Region und an die Gründungsgeschichte des Berliner Museums für Islamische Kunst Anfang des 20. Jahrhunderts, die eng mit Saudi-Arabien, dem Bau der Mekka-Bahn mit deutscher Hilfe und der Schenkung der M’schatta-Fassade an den deutschen Kaiser verbunden ist. Wie ein Kuriosum, wie aus der Zeit gefallen, mutet das Kabinett mit der Selbstdarstellung Saudi-Arabiens an. Ein Großfoto von 1910 zeigt den jungen Staatengründer ’Abd al’-Aziz, dazu seinen Säbel und den Mantel aus brauner Baumwolle in einer Vitrine. Auf ihre Art gehören die Anfänge des Königreichs offenbar auch noch zu den „Archäologischen Schätzen“, wie die Ausstellung im Untertitel heißt.

Die eigentliche Entdeckung bleiben die vorislamischen Werke, der ungeheure Reichtum, die überraschende Vielfalt der Funde entlang der Handelsstraßen, die sich mit der Domestizierung des Dromedars vor 3000 Jahren zu bedeutenden Verkehrsadern zwischen Mesopotamien und Ägypten entwickelten. Den Aufschwung brachte der Handel mit Weihrauch; zierliche Räuchergefäße und Weihrauchbrenner aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. zeugen davon. Tayma, eine der wichtigsten Oasen, wurde mit Hilfe deutscher Archäologen ausgegraben. Dort entdeckte man auch ein Fragment mit Keilschrift aus dem 6. Jahrhundert v. Chr., das den Herrscher Nabonid erwähnt – die erste Keilschrift in der gesamten Region.

Wie intensiv der Austausch zwischen den Regenten war, lässt sich im Raum über die Metropole Dedan erahnen: Kolossalstatuen aus rötlichem Sandstein, über zwei Meter groß, erinnern mit ihrem Lendenschurz, der geschlossenen Beinstellung, den dicht am Körper gehaltenen Armen an ägyptische Vorbilder. In der Ausstellung werden die Figuren auf schwarzer Spiegelfläche mit dräuender Soundkulisse vorgeführt: Die Inszenierung übertrumpft ihren Gegenstand.

Umso mehr imponiert die goldene Totenmaske aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. mit ihrem archaischen Antlitz, das aus sich selbst heraus wirkt. Archäologen fanden sie im Nordosten Saudi-Arabiens, dort wo damals die südliche Grenze des römischen Reichs verlief. Die Einflüsse dieser Nachbarkultur werden auch in den Grabbeigaben einer Sechsjährigen sichtbar, welche die Forscher ebenfalls in Thay entdeckten: Amulett, Stirnband, Gürtel und über 200 Goldplättchen. Die größte Überraschung aber bescherte ihnen der bronzene Kopf eines Mannes aus der gleichen Zeit; der Fundort lag im Zentrum der Arabischen Halbinsel. Seine ondulierten Locken entsprechen ganz der römischen Mode; so weit war also die Antike vorgedrungen.

Die Köder sind ausgelegt, die Neugierde auf ein Niemandsland, das keines mehr sein will, ist geweckt. Ali al-Ghabban sagte es bei der Eröffnung unverhohlen: „Roads of Arabia“ soll den Tourismus ankurbeln. Nach der Gründung des Nationalmuseums in Riad Ende der neunziger Jahre entstehen landesweit gerade elf weitere Häuser, um die zutage beförderten Schätze aufzunehmen. Umgekehrt besteht ein deutsches Interesse daran, die Vorvergangenheit eines Landes zu würdigen, dessen Pilgerstätten für Moslems von zentraler Bedeutung sind. Die Verständigung über die Kulturgeschichte ist wichtig für die Islamdebatte. Zugleich aber muss sich das Museum für Islamische Kunst der Frage stellen, um welchen Preis es ein autoritäres System unterstützt.

Pergamonmuseum, bis 9. 4.; Mo-So 10-18 Uhr, Do bis 21 Uhr. Katalog (Wasmuth Verlag Tübingen) 45 €.

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