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Kultur: Ich mach’ keinen Frieden mit euch

Paul Weller positioniert sich mit seinem neuen Album als Irak-Kriegsgegner

Von Christian Schröder

Es ist ein Donnern wie aus tausend Kanonenrohren, ein Heulen wie von einem anfliegenen Düsenjet, ein Krachen wie von immer näher kommenden Explosionen. Dabei sind es bloß zwei Gitarren, ein Bass und ein Schlagzeug, die diesen Höllenlärm veranstalten, aber die Stimme hat Mühe, dagegen anzusingen: „There’s blood upon each handshake / And lies upon each word / There’s a bomb for every city / Because they don’t know where to stop / And they say there’s no provision / Not enough to go ’round / But when it comes to the gun / There’s a bullet for everyone.“ Paul Weller mag inzwischen 44 Jahre alt sein, aber seinen Frieden hat er noch lange nicht gemacht: mit der Welt nicht und erst recht nicht mit den Politikern. An ihren Händen klebt Blut, jedes Wort, das aus ihrem Mund kommt, ist eine Lüge, sie haben aufgerüstet, bis genug Kugeln da waren, um jeden Menschen auf der Erde umzubringen. „A Bullet For Everyone“, das wütendste Lied auf seinem neuen Album „Illumination“ (Epic/Sony), ist eine Kriegserklärung: an den Krieg und an diejenigen, die ihn betreiben.

Doch anders als in den Achtziger Jahren, als Weller mit seinen Bands The Jam und Style Council Benefizkonzerte für streikende Bergarbeiter organisiert und wacker gegen Maggie Thatcher angesungen hatte, verlaufen die Fronten diesmal weniger übersichtlich. Auch der Feind, so scheint es, steht heute links. Als Tony Blair 1997 zum Prime Minister gewählt worden war, hatten Pop und Politik in England noch heftig miteinander geflirtet. Blair empfing Oasis in seinem Amtssitz an der Londoner Downing Street 10, Bands wie Blur oder Ocean Colour Scene ließen sich bereitwillig für die New Labour-Vision eines „Cool Britannia“ einspannen. Aber die Euphorie wich rasch der Katerstimmung. Weil Blair die neoliberale Wirtschaftspolitik seiner konservativen Vorgängerregierung fortsetzte und außenpolitisch auf die special relationship zur Vormacht USA baute, hatte er schon vor seiner Wiederwahl 2001 jeglichen Kredit bei der insularen Pop-Boheme verspielt.

Oasis-Gitarrist Noel Gallagher antwortet inzwischen mit wüsten Beschimpfungen, wenn er bei Interviews auf den Premierminister angesprochen wird, und Paul Weller nennt Blair bloß noch verächtlich „den Freund von Bush“. Beim vom amerikanischen Präsidenten ausgerufenen „Krieg gegen den Terror“ zeigen sich die britischen Musiker nur sehr eingeschränkt solidarisch, das Dagegen-Sein ist wieder so chic, wie es seit den verlorenen Schlachten gegen die Nachrüstung vor zwanzig Jahren nicht mehr war. George Michael verhöhnte Tony Blair in dem Zeichentrickvideo zu seiner Single „Shoot The Dog“ als Pudel auf der Wiese vor dem Weißen Haus, Blur-Sänger Damon Albarn und seine Kollegen von Massive Attack veröffentlichten im Musikmagazin NME eine doppelseitige Anzeige gegen den drohenden Irak-Krieg. Nur Paul Weller weigert sich beharrlich, bei den Aktivitäten der aus Künstlern, Labour-Abtrünnigen und Prominenten bestehenden „Stop The War“-Koalition mitzumischen, die auch die Demonstration organisierte, bei der sich am Wochenende 150000 Menschen im Londoner Hyde Park versammelten. „Der größte Fehler meiner Karriere war es, dass ich mich 1987 der Red Wedge-Gruppe angeschlossen habe, die Wahlkampf für Labour machte“, gestand er der BBC. „Wenn man sich einmal mit Politikern eingelassen hat, weiß man, dass es ihnen bloß um ihr Ego geht.“

Dasselbe könnte man allerdings auch über Weller selbst sagen: Auf dem Ego-Trip ist er sozusagen seit 1990, als er seine Band Style Council auflöste. Und während er früher mit seiner Neo-Mod-Band The Jam noch das Establishment in wütenden 3-Minuten-Punk-Perlen wie „Going Underground“ attackierte, werden seine Alben inzwischen immer introspektiver. Auf „Illumination“, seiner fünften Solo-Veröffentlichung und der besten seit „Heavy Soul“ von 1997, besingt der Ahnherr der Britpop-Bewegung die Freuden der Vaterschaft („Who Brings Joy“) oder das Glück, unter einem Baum zu sitzen und dabei den Sommerwind im Gesicht zu spüren („Leavy Mysteries“). Und selbst wenn er die Modernisierungsverlierer porträtiert, die mit ihren vollbeladenen Plastiktüten über die Dörfer ziehen („Bag Man“), wirkt das nicht wie eine ätzende Kapitalismuskritik, sondern eher wie ein ländlich-idyllisches Genrebild. Die Sonnendurchflutetheit der CD dürfte auch damit zusammenhängen, dass sie abseits aller Großstadthektik eingespielt wurde, in Wellers eigenem „Black Barn“-Studio in Surrey und auf dem Anwesen von Noel Gallagher in Bucks. Zu den Gastmusikern gehören neben Gallagher und seinem Oasis-Kollegen Gem Archer auch Mitglieder von Ocean Colour Scene und den Stereophonics.

Zwei Seelen wohnen schon immer in der Brust des Songwriters Weller: den Krach weiß er ebenso zu schätzen wie den Schönklang. Auf „Illumination“ entladen sich gelegentlich neilyoungeske Gitarrenkaskaden („Call Me No. 5“), aber die Weltumarmungs-Stücke überwiegen. „Now The Night Is Here“ ist eine himmelhochjauzende Schunkel-Hymne mit Wohlfühl-Mundharmonika, bei der Instrumentalnummer „Spring (At Last)“ sirren fernöstliche Instrumente wie bei den Beatles in ihrer Indien-Phase, und „It’s Written In The Stars“ verbeugt sich mit gesampelten Bläsersätzen und einer überkochenden Hammondorgel vor dem Motown-Soul, den Weller seit den Style Council-Zeiten für sich entdeckt hat. Tief in ihm mag immer noch die alte Rock’n’Roll-Wut glimmen, aber statt sie in lärmenden Drei-Akkord-Attacken herauszulassen, greift Paul Weller nun lieber zur Lagerfeuergitarre und singt uns ein sanftes Lullaby. „Wenn dir irgend etwas in deinem Leben etwas gibt, solltest du es an andere Menschen weitergeben“, sagt der weise gewordene Star. „Es ist verdammt schwer, positive Dinge zu besingen, ohne lächerlich zu klingen. Aber ich hoffe, es hat funktioniert.“

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