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Stewart

© Concorde

"Twilight": Bambi sucht Superman

Der Film zum Buch: "Twilight" macht aus dem Vampirthriller eine fantastische Pubertätsromanze.

Warum sind Fantasy-Jugendromane in den letzten Jahren so häufig zum Bestseller avanciert? Eine Frage, an der seit dem überraschenden Erfolg der Harry-Potter Romane Verleger und Kritiker rätseln. Literarische Nachfolgemodelle, von Cornelia Funke über Christoph Paolini und Philip Pullman bis Stephenie Meyer gibt es zuhauf. Der Erfolg an der Buchhandlungs- wie an der Kinokasse stellt sich jeweils mit vorhersehbarer Sicherheit ein.

Eins jedenfalls ist klar: Es braucht offenbar einen ganz besonderen Stoff, damit die Fan-Gemeinde weltweit um Mitternacht in die Buchhandlungen pilgert, die Nacht lang durchliest und dann sehnsüchtig und auf die möglichst getreue Verfilmung des geliebten Stoffes wartet. Bei J. K. Rowlings Harry-Potter-Reihe ist die Sache klar: Magie ist ein starker Stoff, die Parallelwelt von Hogwarts bietet genug Identifikationsstoff für Schulkinder, und Rowlings’ Humor gibt die Würze dazu. Bei Cornelia Funkes Tinten-Trilogie, die gerade ihren Kinostart erlebte, geht es schon deutlich altmodischer zu: Die Kraft der Literatur, des Buches, des lauten Lesens sind es, die ihrer malerischen Mittelalterwelt ihren Zauber verleihen.

Bei der bekennenden Mormonin Stephenie Meyer, deren romantische Vampirgeschichten mit „Twilight“ – auf Deutsch unter dem sprachvergewaltigenden Titel „Bis(s) zum Morgengrauen“ – beginnt, lautet der Zauberstoff erste Liebe, und die größte Gefahr für alle Beteiligten ist vorehelicher Sex. Eine Botschaft, die in den USA, wo sich die Bis(s)-Romane bislang 26 Millionen Mal verkauften, offenbar exakt die Wünsche und Ängste der Zielgruppe trifft.

Dieses vorausgeschickt, ist die Verfilmung des ersten Bis(s)-Romans durch Catherine Hardwicke durchaus überraschend ein richtig guter Film geworden. Die Regisseurin, die 2003 mit „Dreizehn“ einen harten Pubertätsfilm und mit „The Nativity Story“ einen Film über die unbefleckte Empfängnis vorgelegt hat, ist für ihren Stoff prädestiniert und findet für „Twilight“ magische, rätselhafte, romantische Bilder einer geheimnisvoll nebelverhangenen Welt. Ein Märchenwald, ein unschuldiges Reh, und dann ein Wolf, der es durchs Unterholz hetzt, bis eine rettende Hand eingreift: schon im Vorspann sind die Märchenmotive von Bambi bis Rotkäppchen angespielt.

Die dunkelhaarige Bella (Kirsten Steward), die es vom sonnigen Kalifornien ins regnerische Forks verschlägt, ist so ein zartes Reh, ein Bambi-Mädchen. Eine Außenseiterin, schüchtern, blass, schön und verletzlich. Dass sie, die immer gehänselt wurde, an der neuen Schule plötzlich akzeptiert, ja bewundert wird, diese Aschenputtel-Erfahrung dürften die meisten Fans nur zu gerne sehen. Denn mindestens so sehr wie um die erste Liebe geht es in „Twilight“ um Einsamkeit und Außenseitertum, Unsicherheit und Rebellion – verpackt ins Märchen-Vampirgewand ist das ein packendes Thema.

Nur der Cliffhanger zur Fortsetzung ist allzu aufdringlich geraten. Und als Gegenspielerin für den unerreichbar coolen Edward (Roman Pattison), der aus der Spur geratene Autos mit der bloßen Hand anhält, Debussy hört und von den Klassenkameraden mit einer Mischung aus Scheu und Abscheu beobachtet wird, hätte Bella etwas rebellischer, weniger schutzbedürftig sein dürfen. Aber so ist eben Stephenie Meyers Weltbild: Du darfst dich verlieben, solange es bei Schwärmerei bleibt. Für Schutz und sexuelle Zurückhaltung ist dann der Mann zuständig.

In 21 Kinos, OV im Sony-Center

Christina Tilmann

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