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Lachen verbindet.

© IMAGO/Pond5 Images

Jüdisches Lachen: Das schrille Unbehagen der anderen

Wenn jüdische Menschen miteinander lachen, löst das in ihrer nicht-jüdischen Umgebung häufig Entsetzen und Schweigen aus. Unser Kolumne Schlamasseltov beleuchtet das Phänomen.

Eine Kolumne von Debora Antmann

Humor ist nicht universal. Nicht alles, was unter Jüd*innen witzig ist, wäre es auch unter Gojim (Nicht-Juden). Im Gegenteil: Es wäre absolut pietätlos. Denn bei der Einschätzung, ob etwas witzig ist, bietet das Wer den Kontext für das Was.

Das hat nicht unbedingt etwas mit dem sagenumwobenen „jüdischen Humor“ zu tun, sondern viel mehr damit, wer die eigene Historie mit einem Lachen bewältigen darf und wer sie lieber sehr sehr ernst nehmen sollte. Oft führt diese Diskrepanz zu Momenten, in denen jüdisches Bonding eine unüberhörbare Dissonanz in der gojschen Umgebung auslöst. Manchmal bin ich mir nicht sicher, was lauter ist: unser Lachen oder das schrille Unbehagen, das uns umgibt.

Ich sitze in Friedrichshain mit den Erzieher*innen einer Hochschulkinderbetreuung in einem Café, um als Vorgesetzte das nächste Jahr mit ihnen zu besprechen. Eine Erzieherin setzt mit ihrer Zigarette mein Haar fast in Brand. Sie erschreckt sich, zieht die Zigarette zurück, fängt an zu lachen und sagt: „Oh no! Das können wir uns echt nicht leisten, uns als Jüdinnen jetzt auch noch gegenseitig anzuzünden!“

Ich bin kurz verdutzt und fange dann an zu prusten. Ich wusste nicht, dass die Person jüdisch ist und kann nicht umhin es wertzuschätzen, dass sie mit einem Augenzwinkern eine Beziehung zwischen uns als Jüdinnen aufbaut.

Die Situation an sich war schon urkomisch (für uns beide), aber es war das entsetzte, nicht enden wollende Schweigen drumrum, das das Szenario bühnenreif werden ließ.

Ähnlich erging es meiner Partnerin und mir in einer Paartherapiesitzung (Alles gut, wir arbeiten nur gerne an uns). Es war die Erkenntnis, dass unser Jüdisch-Sein uns darin geprägt hat, wie wir mit Verlust umgehen, weil Zusammenhalt so wichtig ist.

„Es gibt nur eine gute Ausrede, nicht zu Pessach zu erscheinen.“ „Man ist tot.“ „Oder im KZ“ „Die einzig akzeptablen Gründe!“ Wir lachen und fühlen uns näher. Unsere Therapeutin schaut fassungslos und weiß das erste Mal nicht, wie sie weitermachen soll.

Warum ist die einzige Reaktion darauf, nicht mitlachen zu dürfen, Entsetzen? Lachen ist nicht universal. Tabus auch nicht.

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