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Kultur: NPD-Verbotsantrag: Recht gegen Rechts

Der Karriereknick hat ihm nicht geschadet. Wolfram Nahrath ist trotz des Verbots seines Vereins eine einflussreiche Figur in der Szene - und wieder in "Amt und Würden".

Von Frank Jansen

Der Karriereknick hat ihm nicht geschadet. Wolfram Nahrath ist trotz des Verbots seines Vereins eine einflussreiche Figur in der Szene - und wieder in "Amt und Würden". Von 1991 bis zum Verbot 1994 dirigierte Nahrath als "Bundesführer" die "Wiking Jugend", heute leitet er das "Bundesschiedsgericht" der NPD. Obwohl Nahrath der Bundesregierung eine "Loyalitätserklärung" zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung angeboten hat, um beim Bundesverwaltungsgericht eine Rücknahme des Verbots der Wiking Jugend zu erreichen. Die NPD schien nicht weiter irritiert, das Gericht übrigens auch nicht - niemand erwartet, dass sich Nahrath vom Neonazi zum Demokraten läutern könnte.

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Die Gewaltbereitschaft wächst

Der Werdegang des 40-Jährigen ist nicht untypisch für die Lebensläufe des Führungspersonals der Szene. Frei nach der frühen SA-Parole "Trotz Verbot nicht tot" bleiben auch in der Bundesrepublik viele Neonazis aktiv, selbst wenn ein Innenminister ihrem Verein das Existenzrecht entzieht. Ein Verbot der NPD wird nach Ansicht von Sicherheitsexperten wenig ändern, auch wenn manche Rechtsextremisten dann zum zweiten Mal ein Verbot erleben. Betroffen wäre neben Nahrath zum Beispiel Sascha Roßmüller, Vorsitzender der NPD-Nachwuchsorganisation "Junge Nationaldemokraten (JN)" und einst Führungskader beim "Nationalen Block", den der bayrische Innenminister 1993 verbot. Genannt werden müsste auch Jens Pühse, ehemals Mitglied der "Nationalistischen Front", deren Wirken der Bundesinnenminister 1992 ein Ende setzte. Pühse sitzt im Bundesvorstand der NPD und gilt als Kontaktperson zur rechten Musikszene. Sollte das Bundesverfassungsgericht die NPD verbieten, wären diese Neonazi-Kader vermutlich alle bald wieder in irgendeiner Funktion anzutreffen. Und sei es als Einpeitscher auf der Straße.

Diesen Weg ging Steffen Hupka. Der unauffällige Enddreißiger ist seit 1983 in der Szene aktiv. Seine Stationen: Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (1983 verboten), Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene, Nationalistische Front (Verbot 1992), Sozialrevolutionäre Arbeiterfront, Junge Nationaldemokraten, NPD-Bundesvorstand. Im letzten Jahr überwarf sich Hupka mit der Parteispitze, weil er den taktischen Verzicht auf Demonstrationen ablehnte. Gemeinsam mit dem norddeutschen Szene-Anführer Thomas Wulff organisierte Hupka den Aufmarsch vom 4. November in Berlin. Etwa 1000 Neonazis und Skinheads liefen, erstaunlich diszipliniert, durch Mitte. Die Botschaft war klar: Wir machen weiter. Auch ohne Partei.

Dass der Fanatismus mit Verboten kaum zu brechen ist, hat sich bereits Mitte der neunziger Jahre gezeigt. Von 1992 bis 1995 lösten die Innenminister von Bund und Ländern der Szene insgesamt elf Vereine auf. Dennoch brach 1996 die zweite Welle rechter Gewalt über das wiedervereinigte Deutschland herein. Sechs weitere Verbote haben die rechtsextreme Militanz nur punktuell eindämmen können. In der Gesamtschau ist eine deutliche Zunahme der Straftaten, auch der Gewaltdelikte, zu erkennen. Die Szene war außerdem in der Lage, nach den ersten Verboten in den neunziger Jahren neue Strukturen zu bilden.

Bundesweit sind 150 "Kameradschaften" aktiv, in denen sich Anhänger verschwundener Vereine gesammelt haben. Seit 1992 konnten nur zwei Kameradschaften verboten werden: Die "Kameradschaft Oberhavel" in Brandenburg (1997) und der "Hamburger Sturm" (August 2000). Die Kameradschaften verfügen meist nur über informelle Strukturen - Vorstand, Schatzmeister, Schiedsgericht gibt es in der Regel nicht. Natürlich existiert eine interne Hierarchie. So treten bei Demonstrationen "Kameradschaftsführer" auf, die ihren Anhang in Marschblöcke einteilen. Bei größeren "Kameradschaften" ist zudem eine Professionalisierung zu beobachten, politisch und paramilitärisch.

Die der NPD verbundenen "Skinheads Sächsische Schweiz (SSS)" verfügten über ein enormes Waffen- und Sprengstoffarsenal, das die Polizei im letzten Jahr wegnahm. Dennoch sind die SSS weiter aktiv. Das gilt auch für den harten Kern der Skinhead-Organisation "Blood & Honour". Obwohl Bundesinnenminister Otto Schily im September das Verbot aussprach, geben "Blood & Honour"-Aktivisten nicht auf - und treiben den Kahlkopf-Anhang in Schlachten mit der Polizei, wenn diese illegale Konzerte auflöst.

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