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Morgenstimmung im Zentrum City Ost Berlin Mitte.

© IMAGO/Dirk Sattler

Leistungsfähige Verwaltung steht oben: Positionen der IHK zur Wiederholungswahl

Bürokratie, Fachkräftemangel, Wohnungsnot und Bildungsarmut belasten die Berliner Wirtschaft. Warnung vor langwierigen Koalitionsverhandlungen.

Für den jungen IHK-Präsidenten Sebastian Stietzel ist es es die erste Wahl zum Abgeordnetenhaus, Jan Eder dagegen, seit 20 Jahren Hauptgeschäftsführer der Berliner Kammer, kann die Wünsche der Wirtschaft an die wahlkämpfenden Parteien inzwischen im Schlaf aufsagen. Es hat sich so viel ja auch nicht verändert. Die hauptstädtische Wirtschaft entwickelt sich gut seit 15 Jahren; aber gilt das auch für die Politik? Auf nahezu unveränderten Niveau bewegt sich jedenfalls seit vielen Jahren die Unzufriedenheit der Wirtschaft über die öffentliche Verwaltung, die Schulen und die Verkehrspolitik.

Am Donnerstag stellten Eder und Stietzel die Ergebnisse einer Befragung von 380 Unternehmen vor, die sich zu ihren Prioritäten geäußert haben. Der Wunsch nach einer modernen Verwaltung steht oben, dahinter folgen die Themen Fachkräftesicherung und Wohnungsbau sowie Verkehr, Schule und Digitale Infrastruktur. „Die Wirtschaft ist der Poweruser der Verwaltung“, erklärte Stietzel das große Bedürfnis der Unternehmen nach leistungsfähigen Behörden. 93 Prozent der Firmen hätten der Aussage zugestimmt, wonach es einer grundlegenden Reform des Verhältnisses zwischen Senat und Bezirken bedürfe, „um den Wirtschaftsstandort konkurrenzfähig zu halten“. Das Image des Wirtschaftsstandortes werde im Übrigen „extrem belastet“ (Eder) durch die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“.

Mit der Ausbildungsumlage will der Senat ablenken von Versäumnissen in der Berufsorientierung und Schulqualität.

Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK

Immerhin seien mit dem Runden Tisch erste vielversprechende Schritte zu mehr Wohnungsbau gemacht worden, etwa die angekündigte Verbesserung der Genehmigungs- und Verwaltungsabläufe. Indes dürften auch Gewerbeflächen nicht vergessen werden, „hier ist in den letzten Monaten nicht viel geschehen“, meinte Eder. Stietzel, der im Juni letzten Jahres überraschend Daniel-Jan Girl im Ehrenamt des IHK-Präsidenten abgelöst hatte, appellierte an den Senat, ein einheitliches Vorgehen gegen den Fachkräftemangel anzustreben. Verschiedene Senatsverwaltungen befassten sich mit dem Thema, das sich für Stietzel zum größten Problem überhaupt auswächst. Der IHK-Präsident wünscht sich eine koordinierende, zentrale Stelle im Roten Rathaus.

Sebastian Stietzel ist seit Mitte 2022 Präsident der größten deutschen Industrie- und Handelskammer.

© Tsp/Doris Spiekermann-Klaas

„Völlig schleierhaft“ ist der IHK-Spitze die Vorstellung des Senats, wonach eine Ausbildungsumlage hilfreich sein könnte als Instrument gegen den Arbeitskräftemangel. Das Angebot, also die Zahl der offenen Stellen, übertreffe inzwischen die Nachfrage. „Eine bürokratische Umlage bringt gar nichts“, sagte Eder. Er sieht vielmehr die Gefahr, dass Großunternehmen mit der Umlage ihre Ausbildungsplätze von kleineren Firmen finanziert bekommen. Nur ein Bruchteil der 320.000 Mitglieder der Berliner IHK bildet aus.

Mit der Umlage wolle der Senat womöglich ablenken „von den eigenen Versäumnissen“ bei der Berufsorientierung der Schulen und überhaupt der Schulqualität. Zehn Prozent verlassen die Berliner Schulen ohne Abschluss, und bei den Grundfertigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen liegen Berliner Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit den Bremern auf dem letzten Platz im Ranking der Bundesländer. „Statt einer Ausbildungsumlage sind eine konzertierte Ausbildungsoffensive, eine besser Schulqualität und Berufsorientierung umzusetzen“, findet die Industrie- und Handelskammer. Mehr Digitalisierung könnte auch den Schulen und Kitas helfen sowohl bei der individuellen Förderung als auch bei der Attraktivität des Lehramtes.

17.000 Euro Digitalisierungsprämie

Doch es gibt erste Digitalisierungserfolge: Mit einer aktuellen Abdeckung von 90 Prozent sei „das mittelfristige Ziel der Gigabitstrategie greifbar, bis 2025 berlinweit alle Haushalte und Unternehmen mit gigabitfähigen Anschlüssen zu versorgen“. Und die vom Senat ausgelobte Prämie, mit der Digitalisierungsvorhaben von Soloselbstständigen und kleineren Unternehmen mit bis zu 17.000 Euro gefördert werden, begrüßt die IHK.

Positiv sei auch die im Dezember verabschiedete Digital- und Smart-City-Strategie - sofern sie denn umgesetzt werde. Eigentlich, so Stietzel, habe Berlin mit den vielen Start-ups und den wissenschaftlichen Einrichtungen beste Voraussetzungen, um ein digitaler Standort zu sein. Doch im jüngsten Bitkom-Ranking der digitalsten Städte sei Berlin aus den Top 10 gefallen. Auch deshalb könne man sich in den kommenden Wochen „Stillstand definitiv nicht leisten“, meinte Stietzel. Langwierige Koalitionsverhandlungen müssten nach der Wahl unbedingt vermieden werden.

Dieser Wunsch der Kammerherrn wird indes nur dann erfüllt, wenn sich an der Zusammensetzung der aktuellen Senatskonstellation nichts ändert. Doch eine Wahlempfehlung gibt die IHK-Spitze nicht. Zu divers ist die eigenen Mitgliedschaft, und am Ende müssen die Vertreter von Kammern, Verbänden und Gewerkschaften mit jeder gewählten Partei und jeder Senatsverwaltung zusammenarbeiten. Eine Wahlempfehlung wäre zu riskant.

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