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Iran, Arabien, Wikileaks: Entlarvte Heuchler

Die Wikileaks-Veröffentlichungen zeigen, wie verhasst das iranische Regime bei nahezu allen arabischen Nachbarn ist. Insofern wird Ahmadinedschads eifernder Rhetorik von der Konfrontation zwischen der friedliebenden islamischen Welt und den westlichen "Mächten der Arroganz" der Boden entzogen.

Indiskretionen gehören zum politischen Geschäft genauso wie die vertraulichen Gespräche, aus denen sie stammen. Seit Wikileaks allerdings begonnen hat, 250 000 Korrespondenzen zwischen den US-Botschaften in aller Welt und ihrer Zentrale in Washington ins Netz zu stellen, werden diese subtilen Informationswechsel im diplomatischen Betrieb gründlich durcheinander gewirbelt. Was von der einen Seite als diskreter Meinungsaustausch hinter verschlossenen Türen gedacht war, ist durch Datenklau bei der anderen Seite plötzlich auf dem freien Markt der Informationen für jedermann nachlesbar. Zehntausende Depeschen geben direkte Einblicke in Denken und Emotionen politischer Führer rund um den Globus – unter ihnen praktisch alle Könige und Potentaten, Emire und Scheichs des Orients. Manches war bekannt, manches konnte man ahnen, das meiste aber lag in dieser Klarheit bisher nicht auf dem Tisch.

Insofern ist diese Megaenthüllung beides: ein diplomatischer Super-GAU für die westliche Führungsmacht und ein Stück seltener Transparenz in dieser von Doppelzüngigkeit, Inkompetenz und politischer Nebelbildung so geplagten ölreichen Region. Kein Zweifel, Vertrauen wurde zerstört, sensible Kontakte entblößt und langjährige Partner in ein schräges Licht gerückt. In allen Regierungspalästen des Nahen und Mittleren Ostens beißt man sich verlegen auf die Lippen – kommen die arabischen Potentaten doch in den Protokollen meist nicht besonders gut weg. Ihre Regierungsführung ist verschlagen und autoritär. Am liebsten agieren sie aus der Deckung heraus, beschaffen reichlich Waffen und beben dennoch vor Angst – vor der regionalen Dominanz des Irans, vor politischen Reformen daheim und vor ihrer eigenen Bevölkerung.

Der Islamischen Republik dagegen wurde erstmals beispiellos drastisch vor Augen geführt, wie verhasst das Regime bei nahezu allen arabischen Nachbarn ist. Die Protokolle sind gespickt mit abfälligen Urteilen über die Mächtigen in Teheran. Saudi-Arabiens König Abdullah forderte US-Luftangriffe auf die iranischen Atomanlagen. Abu Dhabis Kronprinz empfahl zusätzlich den Einsatz von Bodentruppen, amerikanischen natürlich. Und Ägyptens Staatschef Hosni Mubarak wettert offen gegen die Unterstützung Teherans für die Hamas im Gazastreifen. Selbst in den Herrscherkreisen der fein-kleinen Golfstaaten, die nach außen stets einen freundlich-geschäftsmäßigen Ton an den Tag legen, ist die Stimmung mittlerweile offen feindlich.

Insofern entziehen die US-Depeschen Mahmud Ahmadinedschads eifernder Rhetorik von der großen Konfrontation zwischen der friedliebenden islamischen Welt und den westlichen „Mächten der Arroganz“ mit einem Schlag den Boden. In Wirklichkeit paktiert die Mehrheit der arabisch-islamischen Staaten mit dem „großen Satan“ und versucht sogar aktiv, Washington zu einem Krieg gegen Teheran zu animieren. Selbst dem persischen Weltmeister der Verschwörungstheorien dürfte es daher schwer fallen, das Ganze erneut als einen teuflischen Propaganda-Plot westlicher Dunkelmänner hinzustellen. Und so melden sich jetzt in der Islamischen Republik auch andere politische Stimmen zu Wort. Sie lesen die Protokolle als „unerklärten Krieg“ der Araber gegen den Iran. Sie beginnen zu verstehen, dass ihr Land den Bogen in der Region überspannt hat. Und sie spüren, dass die feindselige Haltung der Nachbarn einen Bruch von Dauer hinterlassen könnte im Verhältnis der Anrainer auf beiden Seiten des Persischen Golfs.

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