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Lesermeinung: Kopflos

Heute sind viele sind gefrustet über die Ergebnisse schulischer Bildung und Erziehung in Brandenburg. In vielen Fällen zu Recht!

Heute sind viele sind gefrustet über die Ergebnisse schulischer Bildung und Erziehung in Brandenburg. In vielen Fällen zu Recht! Die Fülle der negativen Erfahrungen lassen manche nach dem sprichwörtlichen Strohhalm greifen: Sie fordern Kopfnoten. Doch nur wer von Bildung und Pädagogik keine Ahnung hat, kann die Kopfnoten-Diskussion aus der Mottenkiste bildungspolitischen Handelns holen. Die Aussagefähigkeit von Ziffernnoten ist in der Erziehungswissenschaft seit langem umstritten. Für die Bewertung von Fleiß, Ordnung, Lernbereitschaft gilt dies in noch viel höherem Maße. Der Eindruck drängt sich auf, dass die Kopfnoten dazu dienen sollen, Schülerinnen und Schüler zu disziplinieren. Gespräch in einem Lehrerzimmer: „Was kann ich tun, um Markus mehr zum Lernen zu motivieren?" „Gib ihm eine Fünf." Eine solche Pädagogik kann kein nachdenklicher Mensch mehr ernsthaft wollen. Damit wird nicht zur Leistung motiviert, sondern Druck erzeugt. Gemeinsames Nachdenken über die Gründe für das Verhalten von Markus würde zur individuellen Förderung und Leistungssteigerung führen können. In erfolgreichen Schulsystemen wie z.B. in Skandinavien sind Kopfnoten völlig unbekannt. Die ganze Schule ist darauf ausgerichtet, Schülerinnen und Schüler zu eigenständigen, verantwortlichen und handlungskompetenten Persönlichkeiten zu erziehen und zu bilden. Fehler werden nicht durch schlechte Noten bestraft, sondern gemeinsam analysiert. Schüler übernehmen Verantwortung für ihr Handeln und Lernen. Wie erreichen wir in Brandenburg eine solche Unterrichts- und Lernkultur? Wie können wir ein Schulklima realisieren, in dem unsere Kinder verantwortlich, zuverlässig und selbstständig ihren Lern- und Lebensalltag gestalten können und motiviert bleiben, sich selbst zu den besten Leistungen anzuspornen! Darüber müssen wir öffentlich diskutieren. Angesichts dieser Herausforderungen erscheint die Debatte über Kopfnoten lächerlich. Leider bringt in dieser unsinnigen Diskussion auch der Bildungsminister Holger Rupprecht seine pädagogische Erfahrung nicht selbstbewusst genug ein und macht sich zum Spielball politischer Ränkespiele. Wenn Brandenburg nicht das „Armenhaus der Nation" werden soll, müssen wir endlich gemeinsam eine Schulpolitik gestalten, die über alle Partei- und Verbandsinteressen hinweg Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Bildung und Erziehung in unseren Schulen gestaltet, in denen Lehrerinnen und Lehrer Perspektiven für ihre Arbeit sehen, die unsere Kinder zum Lernen motivieren und ihnen Zukunft eröffnen. Dazu müssen wir unseren Kindern eine solche Bildung ermöglichen, dass sich Betriebe und Handwerksmeister darum reißen, Jugendliche aus Brandenburger Schulen in ihre Ausbildung zu bekommen. Wilfried W. Steinert, Oranienburg Vorsitzender des Bundeselternrates

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