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Streiksaison 2009: Ohne Warnstreik gibt es Streik

Was ist ein guter und wirksamer Streik? Die in Frankreich wissen, wie das geht: Hunderttausende gehen auf die Straße und legen den Verkehr lahm. Hierzulande sieht das anders aus. Vor allem im öffentlichen Dienst - da lachen die Minister über streikende Beamte.

Es geht um das Übliche. Sichere Arbeitsplätze, mehr Geld, kürzere Arbeitszeit und überhaupt Gerechtigkeit. Hunderttausende ließen am Donnerstag die Arbeit liegen, versammelten sich auf den Straßen, blockierten den Verkehr. Chaos. In Frankreich. Bei uns beginnt die Tarifsaison mit ein paar tausend Teilnehmern. Stewardessen der Lufthansa lassen Flüge ausfallen und ein paar hundert Bahnbeschäftigte stören ein paar Stunden den Verkehr am Vormittag. Hier und da mosern auch Feuerwehrleute und in Düsseldorf beteiligen sich sogar 1000 Lehrer an einer Demo. Ja und? So läuft das Tarifgeschäft. Oder läuft da etwas schief? Baut sich eine Streikwelle auf, mitten in der Krise, oder sogar wegen der Krise? Und am Ende mit Sicherheit krisenverschärfend?

Die größten Sorgen gelten der Bahn. Schaukeln sich die dort agierenden Gewerkschaften wieder hoch in ihren Forderungen, droht ein monatelanger Arbeitskampf wie vor anderthalb Jahren. Doch so weit wird es nicht kommen. Die Warnstreiks dieser Tage sind Warnungen an die Arbeitgeber und ein bisschen Folklore für die eigenen Mitglieder. Deren Botschaft lautet: Wir kämpfen fürs Geld, wenn ihr nichts rausrückt.

Das Kämpfchen dient dem Selbstverständnis und Selbstvertrauen der Gewerkschaftstruppen und fördert bei den Arbeitgebern die Bereitschaft zum Kompromiss. Alles völlig normal, auch in diesem Frühjahr. Die Warnstreiks sind gewissermaßen Voraussetzung dafür, dass es zu keinen richtigen Arbeitskämpfen kommt. Flächendeckende, unbefristete Streiks mit Schäden für die betroffenen Firmen, Branchen und die Wirtschaft insgesamt will keiner. Je größer die mögliche Wirkung, desto unwahrscheinlicher ist ein Arbeitskampf.

Umgekehrt gilt das für den öffentlichen Dienst. Der potenzielle Schaden ist zu läppisch. Bis zum 14. Februar, wenn in Potsdam die entscheidende Verhandlungsrunde für die Länder ansteht, wollen Verdi, Polizei- und Lehrergewerkschaft sowie der Beamtenbund den Finanzministern der Bundesländer Angst machen. Mit ein paar Happenings von Lehrern, einem Autokorso der Feuerwehr und warnstreikenden Verwaltungsangestellten in statistischen Landesämtern. Die Minister lachen darüber.

Vielleicht haben die Gewerkschaften Glück und es schneit. Die Mitarbeiter der Straßenmeistereien rücken dann nicht aus und sorgen nicht für befahrbare Straßen. Das wirkt fast noch stärker als streikende Ärzte. Denn wenn Autofahrer stinksauer auf der Suche nach Schuldigen auch bei Arbeitgebern landen, dann bekommt der Warnstreik doch noch die gewünschte Wucht.

Das ist aber unwahrscheinlich. Und so wird im Tarifstreit für immerhin 700 000 Angestellte und mittelbar angeschlossene 1,2 Millionen Beamte ein richtiger Arbeitskampf möglich. Es gibt aber Hoffnung. Vor drei Jahren verkämpften sich beide Seiten über Monate, das will niemand wiederholen. Außerdem gab es 2008 einen Tarifabschluss für die Kommunen, an dem sich nun auch die Länder orientieren können. Schließlich sollten die Politiker weder die Krise noch die steigende Arbeitslosigkeit als Argumente für Lohnzurückhaltung gegenüber den eigenen Leuten strapazieren. Die Beschäftigten haben nämlich genau registriert, wie die Milliarden aus öffentlichen Kassen vom Himmel regnen für Banken und Konzerne. Und da sollen sich Krankenschwestern und Erzieher, Lehrerinnen und Amtmänner zurückhalten, wenn es bei ihnen um ein paar Euro geht?

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