zum Hauptinhalt
Viele Familien bekommen die Leistungen, die ihnen zustehen nicht - weil sie sie nicht beantragen

© dpa/Peter Kneffel

Ampel-Clinch : Kühnert fordert Ende des Streits um Kindergrundsicherung

Die Kindergrundsicherung ist zum Streitpunkt der Ampel-Koalition geworden. SPD und Grüne wollen am vereinbarten Modell festhalten. Teile der FDP stellen es infrage.

Grüne und SPD haben ihren Plan bekräftigt, die Kindergrundsicherung umzusetzen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert forderte ein Ende der Diskussion darum. Er schätze an der Ampel-Koalition, dass um den richtigen Weg „gerungen“ würde. „Doch jede gute Debatte muss auch mal zu einem Ende gebracht werden“, sagte er dem Tagesspiegel. Bei der „Bekämpfung der grassierenden Kinder- und Jugendarmut“ sei das mit „der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages“ der Fall gewesen.

Die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge nannte die Kindergrundsicherung „die wichtigste sozialpolitische Reform dieser Koalition“. Sie erwarte, dass SPD, FDP und Grüne sich „zeitnah“ auf „die notwendige Finanzierung“ verständigten.

Laut einem Bericht der Organisation „Save the Children“ sind bundesweit 23,5 Prozent der Kinder von Armut bedroht, EU-weit lebt demnach jedes vierte Kind in Armut. Die Kindergrundsicherung, die die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag vereinbart hatte, soll Kinderarmut bekämpfen.

FDP-Abgeordneter stellt Konzept infrage

Der FDP-Abgeordnete Markus Herbrand hatte das Vorhaben in einem Gastbeitrag für die „Wirtschaftswoche“ grundsätzlich infrage gestellt, nachdem ein Eckpunktepapier zur Kindergrundsicherung aus dem grün-geführten Familienministerium bekannt geworden war. Der „überaus ambitionierte Plan“ der „Zentralisierung aller Leistungen in die Kindergrundsicherung“ sei kritisch zu betrachten, schrieb er.

Herbrand schlug vor, die FDP-Forderung eines digitalen „Kinderchancenportals“ umzusetzen. „Im Gegensatz zu den grünen Vorschlägen“ würde damit erschwert, dass Eltern das Geld für „eigene Bedürfnisse wie beispielsweise Alkohol oder Zigaretten“ verwendeten. Die Kindergrundsicherung dürfe nicht „als bequemes Ruhekissen bis zur Volljährigkeit missverstanden“ werden.

Kühnert wies diese Kritik zurück. Im Koalitionsvertrag habe man vereinbart, dass in der Kindergrundsicherung „bisherige Leistungen gebündelt und automatisiert berechnet und ausgezahlt werden“. Über Details könne verhandelt werden, aber er betonte: „Der im Koalitionsvertrag beschriebene Charakter der Kindergrundsicherung steht dabei jedoch nicht mehr zur Disposition.“

250
Euro Kindergeld bekommt ein Kind derzeit pro Monat.

Tatsächlich heißt es im Koalitionsvertrag, Leistungen unter anderem aus Kindergeld, dem Kinderzuschlag und dem Sozialgesetzbuch sollten künftig in einer „einfachen“ Förderleistung gebündelt werden. Zurzeit ist es so, dass Eltern die verschiedenen Maßnahmen mühsam bei verschiedenen Behörden beantragen müssen. Der Grundbetrag der Kindergrundsicherung soll fix sein, und etwa dem Kindergeld, derzeit 250 Euro monatlich, entsprechen. Der Betrag soll künftig alle zwei Jahre angepasst werden.

Bislang war die Ampel-Koalition sich vor allem über die Finanzierung und eine eventuelle Erhöhung der Leistungen uneinig. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte gesagt, sie gehe von einem Finanzierungsbedarf von etwa 12 Milliarden Euro aus. Das weist Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zurück. Er rechne durch den einfacheren Zugang zu Leistungen mit einem Bedarf von zwei bis drei Milliarden Euro. Einvernehmen gebe es innerhalb der Ampel-Koalition darüber, dass den Familien zustehende Leistungen „automatisiert, digitalisiert“ zur Verfügung gestellt werden sollen, sagte Lindner.

Es gibt grundsätzliche Kritik am Eckpunktepapier zur Grundsicherung: Möglicherweise benachteilige eine Digitalisierung des Antragsverfahrens gerade jene Familien, die am meisten auf die Leistungen angewiesen seien, weil ihnen die nötigen Kenntnisse, ein passendes Gerät und/oder ein WLAN-Anschluss fehlten, bemängelte der Armutsforscher Christoph Butterwegge das Konzept. „Man will armen Familien helfen, erschwert ihnen aber den Leistungszugang, wenn sie Grundsicherungsanträge für ihre Kinder bloß noch online stellen können“, kritisierte er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false