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Abrüstung: Atomwaffen erst verringern, dann abschaffen

Die Welt sitzt auf einem Pulverfass: Mindestens 23.000 nukleare Sprengköpfe lagern in den Arsenalen der Atommächte. Eine internationale Kommission hat nun eine Strategie für die Vernichtung von Atomwaffen vorgelegt.

Zusammen würden die Atomwaffen eine 150.000-fache Vernichtungskraft der Bombe von Hiroshima entfachen. „Angesichts dieser Bedrohung müssen wir uns Gedanken machen, wie wir einen nuklearen Albtraum verhindern“, forderte der frühere australische Außenminister Gareth Evans am Montag in Genf. „Solange auch nur ein Staat Atomwaffen besitzt, wollen auch andere Staaten diese Waffen besitzen.“

Evans ist Co-Vorsitzender der Internationalen Kommission über nukleare Nichtverbreitung und Abrüstung, die auf Initiative von Australien und Japan ins Leben gerufen wurde. Am Montag präsentierte er der Genfer Abrüstungskonferenz eine Strategie gegen die Bedrohung. In der Konferenz, der einzigen permanenten Abrüstungsinstanz der Welt, verfügen alle großen Militärmächte über Sitz und Stimme. Sie sollen die Vorschläge debattieren.

Evans verspricht sich von den USA und Russland eine führende Rolle im Kampf gegen die Atomwaffen – Amerikaner und Russen verfügen mit Abstand über die größten Arsenale. US-Präsident Barack Obama hatte im September 2009 im UN-Sicherheitsrat einen Plan vorgelegt. Das Ziel: Die Schaffung einer „Welt frei von Nuklearwaffen“. Allerdings kritisierten Experten, die Obama-Ausführungen seien nicht konkret genug.

Evans und die Mitglieder der Kommission wie der Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, und der frühere US-Verteidigungsminister William Perry hingegen legten präzise Vorschläge auf den Tisch. Zunächst müssten Politiker und Militärs eine Art Sinneswandel einleiten: Noch spielten Atomwaffen eine zentrale strategische Rolle in der Doktrin der Streitkräfte, die Staaten müssten bereit sein, diese Strategie aufzugeben. Wichtig sei auch, dass sich alle Nuklearstaaten auf eine rein defensive Rolle der Nuklearwaffen verständigten. Die Verpflichtung müsse lauten: „Kein Erstschlag“.

Die Kommission gab auch zeitliche Eckpunkte vor: Bis zum Jahr 2025 sollen rund 90 Prozent aller Sprengköpfe vernichtet werden, 2000 blieben dann noch übrig. Zum Vergleich: Im Kalten Krieg horteten die Atommächte bis zu 70 000 Sprengköpfe. Nach der Phase der „Minimierung“ der Waffen bis 2025 soll dann eine Phase der „Eliminierung“ das endgültige Ende der verbliebenen Atomwaffen bringen.

Allerdings gab sich Evans keinen Illusionen hin: „Eine Welt ohne Nuklearwaffen zu schaffen, wird ein langer, komplexer und schrecklich schwieriger Prozess sein.“ Die offiziellen Atommächte USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China rüsten bislang nicht energisch genug ab, klagte er.

Mit Indien, Pakistan und Israel seien weitere Staaten in den Club der Länder mit einsatzfähigen Atomwaffen vorgestoßen. Nordkorea zündete bereits zwei Atomsprengsätze. Und der Iran kann die Befürchtungen der westlichen Mächte nicht zerstreuen: Vor allem die USA verdächtigen Teheran, dass es die Bombe will. Zudem trachten Terroristen danach, mit Atomwaffen in der Welt Angst und Schrecken zu verbreiten. Die Fanatiker zu überzeugen, dürfte besonders schwierig sein. Der Weg zu einer Welt ohne atomare Gefahr, er ist ein langer Weg.

Jan Dirk Herbermann

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