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Sieht seinen Staat als eine asiatische Nation. Außenminister Bob Carr.

© AFP

Australischer Außenminister: „Australien ist eine asiatische Nation“

Außenminister Bob Carr über den Aufstieg des Kontinents, die Beziehung Australiens zu Europa und Deutschlands Wunsch nach einem Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Herr Außenminister, Australien ist überzeugt, dass Asien das Wirtschaftszentrum der Welt wird und will als Nachbar davon profitieren. Wird Australien Europa künftig weniger wichtig nehmen?
Nein. Europa ist immer noch die Quelle unserer Werte. Einer der Gründe, die unser Land für Einwanderer aus Asien attraktiv machen, sind die europäischen Werte, die unsere Gesellschaft und unser politisches System ausmachen, etwa die Redefreiheit, das Mehrparteiensystem oder die Versammlungsfreiheit.

Ihre Regierung will im Bildungsbereich künftig sehr stark mit Asien kooperieren. Heißt das, Australien lockert seine kulturelle Bindung an Europa?

Nein, es geht hier nicht um ein Nullsummenspiel. Wenn wir uns bemühen, Asien zu verstehen, bedeutet dies nicht, dass wir unser europäisches Erbe vernachlässigen. Wir wollen für den Rest der Welt nicht der Erklärer für ganz Asien werden. Aber wir entwickeln uns zum Spezialisten für Südostasien. Wir müssen anerkennen, dass Asien eine neue Stufe der Wirtschaftskraft erlangt. Unser Weißbuch zu Asien ist wirksam, weil sich unsere Gesellschaft längst auf diese Entwicklung eingestellt hat.

Macht das der weißen Mehrheit in Australien keine Angst?

Nein. Ich kann mich an keinen öffentlichen Protest aus den vergangenen 20 Jahren erinnern. Die auf die Interessen der Weißen konzentrierte Politik haben wir schon in den 60er Jahren aufgegeben. Als Premier von New South Wales verlieh ich die Auszeichnung für die besten Studenten. Und jedes Jahr waren mehr Studenten mit chinesischen und indischen Wurzeln unter den Besten.

Ist Australien eine asiatische Nation?

Ja, das höre ich zumindest von asiatischen Außenministern. Unser Weißbuch zu Asien hat dies für uns selbst und unsere Nachbarn klargestellt.

Sie haben gestern eine Erklärung über eine engere Zusammenarbeit mit Deutschland unterzeichnet. Worum geht es dabei?

Sie zeigt, dass Deutschland Australiens Status als kreative Mittelmacht mit globalen Interessen anerkennt. Umgekehrt tragen wir der Leistungskraft der deutschen Wirtschaft und Deutschlands Führungsrolle in Europa Rechnung. Ich beobachte Deutschland, seit ich 1974 auf Einladung des DGB und der Friedrich-Ebert-Stiftung mit einer Gewerkschaftsdelegation hier war. Ich war sehr beeindruckt von Helmut Schmidts Wirtschaftspolitik und der Stärke der deutschen Exportwirtschaft. Beides war ein Vorbild für Australien in den 70er und 80er Jahren.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht vor den Vereinten Nationen.

© picture-alliance/ dpa

Sehen Sie Deutschland auch als kreative Mittelmacht mit globalen Interessen?

Ich glaube, dafür braucht man eine größeren Begriff als den der Mittelmacht. Aber diese Frage sollten die Deutschen selbst beantworten. Wir freuen uns jedenfalls, wenn Deutschland Führung zeigt.

Australien ist nun nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Die Bundesregierung will das Gremium reformieren, weil die fünf ständigen Mitglieder nicht die Welt des 21. Jahrhunderts repräsentieren.

Das sehe ich auch so. Unser Vorschlag für die Reform des Sicherheitsrates lautet: Zwei afrikanische Länder sowie Indien und Japan sollen ständige Mitglieder werden, Deutschland aber nicht. Europa ist schon durch zwei ständige Mitglieder vertreten. Aber ich freue mich auf Gespräche mit unserem deutschen Partner über dieses Thema. Australien erkennt die deutsche Führungsrolle in Europa an.

Was halten Sie davon, dass Frankreich in Mali militärisch intervenierte und nicht erst die USA um Truppen bat?

Das halte ich für bemerkenswert. Wir begrüßen die französische Führungsrolle und die Hilfe der EU dabei. Es ist eine gute Entwicklung, dass Europa in Mali Verantwortung übernimmt. Es ist richtig, den Afrikanern dabei zu helfen, militärisch für Stabilität zu sorgen. Australien hat anders als die EU nach dem Putsch in Bamako 2012 seine Entwicklungshilfe nicht ausgesetzt. Wir stellen mehr als 40 Millionen Dollar für die Entwicklung der Sahelzone bereit. Und wir versuchen, die Schlagkraft der Regierungen in der Region gegen Terrorismus zu stärken.

Bob Carr (65) ist seit März 2012 australischer Außenminister. Von 1995 bis 2005 war der Labor-Politiker Premierminister von New South Wales. Der frühere Journalist ist auch Senatsmitglied.

Das Gespräch führten Stephan-Andreas Casdorff und Hans Monath.

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