zum Hauptinhalt
Verfahrene Lage. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy spricht mit Podemos-Führer Pablo Iglesias. Erwartungsgemäß wurden nur Höflichkeiten ausgetauscht.

© dpa

Spanien: Das Land findet keine Regierung

Die Konservativen finden nach der Wahl keinen Partner zum Regieren, die Sozialisten sind zerstritten und schaffen es auch nicht. Ein zermürbtes Spanien steht vor Neuwahlen.

Schlimmer hätte es für das Euro-Krisenland Spanien, das Stabilität und Reformen braucht, kaum kommen können: Der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy hat nach seiner Wahlschlappe im Dezember praktisch keine Chance, eine neue Regierung zu bilden. Die oppositionellen Sozialisten mit ihrem Spitzenkandidaten Pedro Sánchez sind derweil so zerstritten, dass auch eine Mitte-links-Regierung unter Einschluss der neuen und mächtigen Protestbewegung Podemos in weite Ferne rückt.

Ein monatelanger Machtkampf droht das Land, welches immer noch unter der Schuldenkrise und dramatischen Massenarbeitslosigkeit leidet, zu lähmen. Ein Ringen, das nach derzeitiger Lage wenig Aussicht auf einen schnellen Sieger, aber jetzt schon zwei Verlierer hat: den spanischen Wähler, der hilflos mitansehen muss, wie das angeschlagene Land desorientiert in das Jahr 2016 schliddert, und die EU, die zittert, weil Spanien, das angefangen hatte, sich mit erstaunlichen Wachstumsraten von über drei Prozent zu erholen, wieder von der Bahn abzukommen droht.

Ende Januar will Rajoy, der im Dezember seine absolute Mehrheit verlor und nun keinen Partner für eine zweite Amtszeit findet, den Versuch starten, vom Parlament erneut zum Regierungschef gewählt zu werden. Seine Wiederwahl sei „das Beste für das Land“, sagte er dieser Tage. Doch es gilt als aussichtsloses Unterfangen. Vor allem, weil Rajoy nach vier Jahren kompromissloser wie erfolgreicher Austeritätspolitik viel verbrannte Erde und eine zornige Opposition hinterließ. Auch die Korruptionsfälle seiner Parteigänger trugen zum Vertrauensbruch bei.

Neuwahlen wären ein Alptraum

Wenn bis Ende März keine Regierung steht, muss Spaniens König und Staatsoberhaupt Felipe Neuwahlen ansetzen, die dann vielleicht Ende Mai stattfinden könnten. Ein Albtraum, der das südeuropäische Land, das sich bereits seit Sommer 2015 im Wahlkampf befindet, erneut in eine zermürbende und teure Stimmenschlacht stürzen könnte. Und der den politischen Stillstand weiter verlängern dürfte.

Politische Erstarrung ist jedoch das Letzte, was sich Spanien derzeit erlauben kann. Denn die tiefe Finanz- und Wirtschaftskrise ist noch lange nicht überwunden: Spaniens Schuldenberg wächst weiter. Vor allem, weil Rajoy die geforderte Ausgabendisziplin zuletzt über Bord warf und das Haushaltsdefizit nicht unter Kontrolle brachte. Es war mit annähernd fünf Prozent in 2015 das höchste der ganzen Euro-Zone. Spaniens viel gelobtes Wirtschaftswachstum ist – wenigstens zum Teil – ein Aufschwung auf Pump. Allerdings würde eine linke Regierung, die Austeritätspolitik ablehnt, dieses Problem eher verstärken.

Von nachhaltiger Politik, Investitionen in eine Zukunftsindustrie und einer wirklichen Stabilisierung des Arbeitsmarktes ist wenig zu spüren. Die spanischen Regierungsmeldungen über die „Schaffung von hunderttausenden neuen Jobs“ fallen in sich zusammen, wenn man weiß, dass 90 Prozent dieser Arbeitsplätze „Zeitverträge“ sind. Die offizielle Arbeitslosenrate ist mit 21 Prozent weiterhin schockierend hoch, auch wenn es eine erhebliche Verbesserung gibt. 2013 lag sie bei 26,1 Prozent.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false