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Aufgrund der anhaltenden Trockenheit hat der Rhein einen niedrigen Pegelstand.

© Thomas Banneyer/dpa

Niedrigwasser und Dürre: Der trockene Rhein steht für viele Fehler der Vergangenheit

Statt für die Schifffahrt reflexhaft eine weitere Flussvertiefung zu fordern, wäre jetzt die Chance, beim Rhein wirklich an die Zukunft zu denken. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Ruth Ciesinger

Der Rhein ist nicht irgendein Fluss, jedenfalls nicht in Deutschland. Dichter wie Hölderlin oder Heine haben ihm Denkmäler gesetzt, mit der Rheinromantik hat schon vor 200 Jahren ein eigener Malerei- und Literaturzweig Fluss und Landschaft gehuldigt. Die Nationalisten bedienten sich ebenfalls am „Mythos Rhein“, und Bücher über selbigen verkaufen sich heute noch gut.

Der Fluss wird verehrt, theoretisch jedenfalls. In der Praxis sieht der Respekt profaner aus. Jetzt ist der Rhein aufgrund von Hitze, ausbleibendem Regen und langanhaltender Dürre an manchen Stellen mehr Kiesbett als fließendes Gewässer. Und da dominiert vor allem die Angst, die europäische Wasserautobahn könnte nicht mehr schiffbar sein.

Natürlich ist das ein riesiges Problem. Die Binnenschifffahrt transportiert in Deutschland zwar weniger als sieben Prozent des Güterverkehrs. Doch fast Alles davon schippert über den Rhein. Fabriken und Millionen Menschen in der Region hängen von Lieferungen ab. Dazu kommt in diesem Jahr das durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Kohle-Comeback, wovon, Ironie der Klimakrise, viel über den versiegenden Fluss transportiert werden müsste.

So steht der trockene Rhein symbolisch für vieles von dem, was in der Vergangenheit verpasst worden ist, inklusive die Planung einer zukunftssicheren Infrastruktur. Das Bahnnetz wurde kaputtgespart statt ausgebaut. Es gibt nicht mal genügend Waggons, um Güter vom Schiff auf die Schiene zu verlagern. Dabei ist es keine Neuigkeit, dass der voranschreitende Klimawandel die Sommer immer heißer und trockener werden lässt.

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Was heute passiert, ist keine unerwartete Katastrophe, sondern geschieht nach ausführlicher Ankündigung. Und damit keiner sagt, das hätte ja wirklich niemand ahnen können: Die Lage wird nicht besser werden.

Sommer wie diesen werden wir immer öfter erleben. Denn noch steigt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre stetig an, und die Erde erwärmt sich weiter. Wenn sich zu Hitze und Dürre außerdem weniger Schmelzwasser aus den Bergen gesellt, wird der Rhein immer häufiger neue Rekord-Niedrigstände verzeichnen, möglicherweise in manchen Sommern ganz austrocknen. So weit, so schlecht. Nur was heißt das jetzt?

Nicht den Fluss den Schiffen, sondern die Schiffe dem Fluss anpassen

Manche Unternehmen und der Bundesverkehrsminister fordern jetzt, möglichst schnell an kritischen Stellen das Flussbett auszufräßen und durch die Rheinvertiefung mehr Wasser in die Fahrrinne zu leiten. Das klingt entschlossen, hilft aber erstmal gar nichts. Denn selbst Volker Wissing rechnet mit einer Umsetzungszeit bis ins kommende Jahrzehnt. Und am grundsätzlichen Problem löst das auch nichts. Statt reflexhaft auf Instrumente der Vergangenheit zurückzugreifen, wäre jetzt die Chance, wirklich an die Zukunft zu denken.

Denn künftig wird es immer wichtiger, möglichst jeden Tropfen Wasser so lange wie es nur geht im Boden, in der Landschaft zu halten, bevor das Wasser letztlich ins Meer abfließt. Doch wenn der Fluss vertieft wird, passiert genau das Gegenteil. Dann trocknen Auen aus, wichtige Lebensräume für Fische, Amphibien und Pflanzen gehen verloren, und die Dürre im Boden breitet sich noch ungebremster weiter aus.

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Statt die Natur gemäß der Technik zu formen, muss das Gegenteil passieren. Beim Rhein heißt das, nicht weiter den Fluss den Schiffen anpassen, sondern die Schiffe dem Fluss. So können zum Beispiel neue Schiffe für niedrigere Pegelstände gebaut werden, damit sie künftig bei weniger Flusswasser trotzdem große Mengen an Ladung transportieren können. Das ist keine Zukunftsmusik: Der Chemieriese BASF hat bereits ein solches Tankschiff selbst entwickelt und auf dem Rhein im Einsatz.

Natürlich ist der Rhein schon lange nicht mehr der ungezähmte Strom Heines, wo der Schiffer vor der Loreley versinkt. Doch es ist allerhöchste Zeit, dem Fluss endlich den Respekt zu zollen, den er verdient. Auch in unserem eigenen Interesse.

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