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Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, stellte am Mittwoch den Jahreswirtschaftsbericht 2022 vor.

© dpa

Grüne versus Liberale: Die Wirtschaft steuern - aber wie?

Minister Robert Habeck will neue Strukturen etablieren – und die soziale Marktwirtschaft um Ökologie erweitern. Wie grün kann die Wirtschaftspolitik der Ampel werden?

Robert Habeck war erst wenige Tage als Bundeswirtschaftsminister im Amt, schon hatte der Grüne dem Jahreswirtschaftsbericht seinen Stempel aufgedrückt. In einem ersten Entwurf Mitte Dezember spiegelte sich schon deutlich die von Habeck versprochene Zeitenwende in der Wirtschaftspolitik wider.

Der Jahreswirtschaftsbericht, der am Mittwoch vorgestellt wurde, ist allerdings ein Werk der gesamten Bundesregierung. Insbesondere das Finanzministerium redet traditionell mit. Gesprächsbedarf gab es dieses Mal besonders viel.

Bereits im Dezember, als die Inhalte des Entwurfs aus dem Wirtschaftsministerium durchgesickert waren, war aus dem Haus von Finanzminister Christian Lindner (FDP) Unmut zu vernehmen. Offensichtlich haben die Liberalen an vielen Stellen erfolgreich interveniert. Das beginnt schon bei dem Titel des Berichts.

War das mehr als 100 Seiten lange Papier im Dezember noch damit überschrieben, „den Ordnungsrahmen klimagerecht fortentwickeln“ zu wollen, heißt es jetzt bloß: „Für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft“. Standen zuerst noch die Regeln zur Bändigung des Markts im Mittelpunkt, rückt nun der Markt selbst in den Fokus.

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Das zeigt sich auch an vielen anderen Stellen im Bericht, insbesondere im Eingangskapitel zur grundsätzlichen Ausgestaltung der Sozialen Marktwirtschaft. Im Entwurf vom Dezember waren Markteingriffe noch ein Standardmittel im Repertoire der Wirtschaftspolitik. Wenige Wochen später muss nur noch „sehr begrenzt“ in den Markt eingegriffen werden.

Der Versuch, beides zu vereinen, ist schwer

Es sind diese Zwischentöne, die viel über die Wirtschaftspolitik der Ampel in den kommenden vier Jahren aussagen dürften. Dem Düsseldorfer Ökonom Justus Haucap zufolge wird die Koalition dabei weiter versuchen, die Einigkeit zwischen grüner Ordnungspolitik und liberaler Marktwirtschaft zu demonstrieren. „Doch klar ist: Im Alltag der Wirtschaftspolitik wird das selten leicht funktionieren und immer wieder auch scheitern.“

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Beispiel Wachstum und Wohlstand: Bereits im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP angekündigt, den Wohlstand im Jahreswirtschaftsbericht nicht mehr bloß am Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) messen zu wollen. So findet sich im Jahreswirtschaftsbericht mit dem Gini-Koeffizienten ein Maß für die Ungleichheit bei den Einkommen sowie eine Innovatorenquote.

Doch beim Einfluss dieser Werte auf die künftige Wirtschaftspolitik gab es offensichtlich Differenzen zwischen Habeck und Lindner. Im Entwurf vom Dezember paarte der Jahreswirtschaftsbericht die Notwendigkeit der neuen Indikatoren noch mit offensichtlicher Wachstumskritik. Diese sind in der finalen Version nicht mehr zu finden. Die Debatte, was Wohlstand ist, wird weitergehen. (HB)

Julian Olk

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