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G-8-Proteste: "Ich will nur noch nach Hause"

Drei Tage und zwei Nächte haben sie protestiert, Polizisten genarrt, Straßen blockiert und so gegen die Politik der mächtigsten Wirtschaftsnationen demonstriert. Auch auf Seiten der Polizei wurde bis "an die Grenze der Belastbarkeit" gearbeitet.

Die Blockierer sind müde. Zu Tausenden haben sie in den Camps bei einfachen Verhältnissen übernachtet und sich immer wieder aufgemacht zu den Blockaden der Zufahrtsstraßen nach Heiligendamm. Sie haben Polizeikontrollen über sich ergehen lassen, Wasserwerfern gegenüber gestanden. Sie haben es durch Wälder und Felder bis zu den Kontrollstellen am Zaun von Heiligendamm geschafft und diese für drei Tage und zwei Nächte blockiert. Nun - bei der Abschlusskundgebung am Rostocker Hafen - sind sie erschöpft und müssen ihre Eindrücke irgendwie sortieren. Ein junger Mann mit Dreadlocks vermag das auf die Schnelle nicht: "Es sind zu viele." Auch seine Freundin sagt nachdenklich: "Es ist viel Gegensätzliches passiert."

Nicht viel anders geht es den eingesetzten Polizisten. Geduldig kontrolliert ein Beamter aus Berlin in voller Schutzkleidung in der prallen Sonne den Zugang zum Abschlusskundgebungsgelände. "Heute ist es ja friedlich, hoffentlich bleibt es so." Zwei Wochen mit wenig Schlaf, stundenlangem Stehen in Polizeiketten und schnellen Fahrten zu neuen Einsatzorten liegen hinter ihm. Polizeiintern wurde Kritik laut. Die Grenze der Belastbarkeit sei überschritten worden, hieß es. "Ich will nur noch nach Hause", sagte der Berliner. Bei den Wasserwerfer-Einsätzen war er "zum Glück nicht im Einsatz", berichtet er.

"Heilsamer Schock"

Seit den schweren Krawallen vom vergangenen Samstag in Rostock liegt Spannung in der Luft. Attac-Aktivist Peter Wahl nennt die Ausschreitungen "einen Schock", aber auch "einen heilsamen". Die folgenden Tage hätten gezeigt, dass es auch anders geht. Jede Seite wirft der anderen immer wieder Eskalation und Desinformation vor. Über Provokateure, falsche Verletztenzahlen oder Räumungen der Camps waren Gerüchte im Umlauf - in den Demonstrationszüge, den Camps und in den Polizeireihen. Genug Stoff für jeden, sich die eigene Wahrheit zusammensetzen.

Maik Spangenbergs Wahrheit besteht aus einem zerstörten Garten. Der Hausbesitzer aus Hinter Bollhagen ist weder auf die Polizei noch auf die Demonstranten gut zu sprechen. Sein Haus ist das letzte auf der rechten Straßenseite vor der Kontrollstelle im Sicherheitszaun um Heiligendamm. Demonstranten haben seinen hölzernen Gartenzaun herausgerissen, um eine Straßenblockade zu errichten. Die Polizei trieb kurz darauf einige Hundert der bunten Truppe über Spangenbergs Grundstück zurück ins Hinterland. "Die Polizei hat uns Monate vorher versichert: Hier sind Sie sicher, hier passiert nichts", schimpft Spangenberg. "Das lassen wir nicht auf uns sitzen. " Viele Einheimische begegneten den Demonstranten jedoch mit Sympathie. "So lange die friedlich bleiben", war ein viel gehörter Satz.

Rostocks OB zieht positive Bilanz

Die Bilanz von Rostocks Oberbürgermeister Wolfgang Methling ist unterm Strich eher positiv - trotz der schweren Ausschreitungen zum Auftakt der Protestwoche in der Hansestadt. "Rostock hat durch die Krawalle materiellen Schaden genommen. Aber die Stadt hat gewonnen, weil sie gezeigt hat, dass ihr die friedlichen Demonstranten willkommen sind", sagt der parteilose Politiker, der sich im schwarzen Anzug unter die Teilnehmer der Abschlusskundgebung am Hafen gemischt hat.

Eine gewisse Sympathie mit dem Anliegen der Demonstranten hat Methling ohnehin. "Es wird Zeit, dass wir teilen", sagt er. Noch immer begeistert ist der Oberbürgermeister vom Konzert von Grönemeyer und Co. am Vortag im Park der Internationalen Gartenschau. In den Händen hält er ein T-Shirt mit dem englischsprachigen Aufdruck: "Ich habe Woodstock 1968 verpasst, aber nicht Rostock 2007". (Mit AFP)

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