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Politik: Kein Rücktritt vom Rücktritt

Einige in der CSU hoffen, dass Stoiber doch noch eine Zeit lang Chef bleibt – aber der sagt „keinesfalls“

Berlin - Ausgerechnet Willy Brandt. Edmund Stoiber hätte sich sicher nicht träumen lassen, dass ihn Parteifreunde einmal mit dem angefeindeten SPD-Vorsitzenden vergleichen würden. Doch die Kampf- und Trennlinien sind unscharf geworden und auch ein wenig durcheinandergeraten im aktuellen Machtgerangel der CSU. Und so erinnert der fränkische CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel nun munter daran, dass ebenjener Willy Brandt nach seinem Rücktritt als Kanzler auch noch jahrelang SPD-Chef gewesen sei – und seiner Partei so über manche Klippe geholfen habe.

Die Klippen erscheinen manchem Christsozialen derzeit beängstigend schroff, und der offene Machtkampf zwischen Landeswirtschaftsminister Erwin Huber und Bundesagrarminister Horst Seehofer um den CSU-Vorsitz irritiert die gewöhnlich geschlossen agierende Partei. So sind Ruf und Sehnsucht nach einem erfahrenen Lotsen nicht überraschend. Aber auch, wenn es der alte ist, den sie nur mit so viel Mühe zum Rückzug bewegen konnten? In der CSU, so meldete die „Süddeutsche Zeitung“, werde nicht mehr ausgeschlossen, dass Stoiber wegen der ungeklärten Nachfolgefrage auch noch länger Parteivorsitzender bleiben könne – und nur sein Ministerpräsidentenamt abgebe.

Gut möglich, dass das eine dieser Meldungen ist, bei denen Stoiber gar nicht anders konnte, als schnell das Gegenteil zu versichern. „Mit meiner Entscheidung aus der letzten Woche sind die Weichen auf einen Wechsel gestellt. Alles andere ist Spekulation und Unsinn“, sagte er derselben Zeitung einen Tag später. Für eine längere Amtszeit als Parteichef stehe er „keinesfalls zur Verfügung“, und mit dieser „unmissverständlichen Erklärung“ wolle er alle Gerüchte beenden. Das sieht nicht nur er so: Ursula Männle, langjähriges Mitglied im CSU-Präsidium und auch im Vorstand der Landtagsfraktion, nannte Stoibers Klarstellung „konsequent“. Nach seiner Rücktrittsankündigung vom vergangenen Donnerstag hätte er sich mit einem Teilrückzug vom Rückzug „unglaubwürdig gemacht“, sagte Männle dem Tagesspiegel.

In der CSU spielen sie manchmal über Bande. Und wenn derzeit auch wenig für den Rücktritt vom Rücktritt spricht, so zeigen die Spekulationen doch, wie sich die Stimmung gewandelt hat in der CSU – von der Aversion gegen den an seinen Ämtern Klebenden hin zur Anerkennung für einen, der loslassen kann. Auch Stoiber selber, der im übrigen den CSU-Parteitag am 28. September, seinem 66. Geburtstag steigen lassen will, wirke wie befreit, ist zu hören.

Was man von den Konkurrenten um den Parteivorsitz nicht sagen kann. Für Seehofers Ambitionen hätte ein Amtsverbleib Stoibers bis vor der Bundestagswahl 2009 nur Vorteile. Er ist sechs Jahre jünger als sein Kontrahent Huber – und spielt dies auch gerne dadurch aus, dass er eine „Verjüngung“ der CSU fordert. Er hätte Zeit, die ihm gewogene „Basis“ hinter sich zu versammeln. Und auch seine private Affäre könnte in Vergessenheit geraten. So hat der CSU-Vize im ZDF auch nochmal kräftig gegen das „Intrigantentum“ der Parteispitze gewettert, deren Solidaritätserklärungen „für drei Amtsperioden“ gereicht hätten. Nun merke man, dass die Entscheidung Stoibers, die man provoziert habe, „problematisch“ sei. Und via Bayerischen Rundfunk warnte Seehofer seine Partei vor dem Bedeutungsverlust, falls Huber Chef werden und die CSU von München aus dirigieren sollte. „Das würde entschieden schwieriger.“ Huber konterte seinerseits mit der Ankündigung, im Falle seiner Wahl zum CSU-Chef werde er im Jahr 2009 sehr wohl nach Berlin wechseln. Und er spielte den Streit herunter. Die Auseinandersetzungen um die Stoiber-Nachfolge seien keine Zerreißprobe für die CSU, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Er sei sehr zuversichtlich, dass die CSU wieder zu ihrer traditionellen Geschlossenheit finde. Im Übrigen vertraue er auf Stoibers Autorität.

Wie weit es damit her ist, könnte sich am Freitag zeigen. Für 10 Uhr hat Stoiber die beiden Kontrahenten erneut zum Gespräch geladen. Mit dabei sein sollen der unumstrittene Ministerpräsident in spe, Günther Beckstein, Fraktionschef Joachim Herrmann und Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Dass es eine einvernehmlichen Lösung gibt, wird in der Partei bezweifelt. Aber Seehofer hat bereits Souveränität gezeigt. „Wenn ich nicht CSU-Vorsitzender werde, dann bin ich trotzdem ein glücklicher Mensch“, versicherte er lächelnd im ZDF. Von Huber war ein solcher Satz bislang noch nicht zu hören.

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