zum Hauptinhalt
Pracht des 19. Jahrhunderts. Im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses wird diese Woche das neue Staatsoberhaupt gewählt.

© Yara Nardi/Reuters

Zwei-Drittel-Mehrheit nötig: Kein Sieger bei erstem Durchgang der Präsidentenwahl in Italien

Die Wahl des italienischen Staatsoberhaupts dauert traditionell mehrere Tage. Die Parteien verhandeln jetzt intensiv über Kompromisskandidaturen.

Der erste Wahlgang ist, wie erwartet, ohne Ergebnis geblieben. Noch hat Italien keinen neuen Staatspräsidenten, der im Februar das Amt vom aktuellen Inhaber Sergio Mattarella übernehmen kann.

Schon während der Auszählung der Stimmen stand gegen 20.30 Uhr am Montagabend fest, dass niemand die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten hatte. In den Urnen aus Weidengeflecht und grünem Samt landeten vor allem weiße Zettel.

Die Treffen der Parteichefs, die schon vor dem Wochenende begonnen hatten, intensivierten sich am Montag rings um den Wahlauftakt kurz nach 15 Uhr. Da klar ist, dass weder das Mitte-Rechts- noch das Mitte-Links-Lager eine eigene Kandidatin oder einen eigenen Kandidaten durchsetzen kann, wird in meist bilateralen Begegnungen ein Name gesucht, mit dem alle leben können.

Am Nachmittag und frühen Abend trafen sich - zu möglicherweise entscheidenden Treffen - Giuseppe Conte von der Fünf-Sterne-Bewegung, Lega-Chef Matteo Salvini und der Vorsitzenden des sozialdemokratischen Partito democratico, Enrico Letta.

Mehrfach Nein zu Draghi als Präsident

Eine Kandidatur freilich schien am Montag unrealistischer als in den vergangenen Tagen: Die von Premier Mario Draghi. Der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, der erst letztes Jahr nach dem Sturz von Giuseppe Conte als "Techniker" an die Spitze der Regierung rückte, würde gern Staatspräsident. Er gilt aber - ein Jahr vor der regulären nächsten Parlamentswahl - als unverzichtbar, um die zusammengewürfelte Regierungsmehrheit bis dahin zusammenzuhalten, die Covid-Pandemie zu managen und in Brüssel Vertrauen zu garantieren.

Von dort hat Italien 200 Milliarden Euro zur Bewältigung der Covid-Folgen und für den grünen Umbau von Wirtschaft und Behörden bekommen.

Kurz vor dem ersten Wahlgang gab es Absagen an Draghi von mehreren Seiten: Antonio Tajani, Koordinator der Wahl für "Forza Italia", erklärte nach Gesprächen mit den beiden anderen Parteichef:innen der Rechten, aktuell sei "nationale Einheit" nötig und der Zusammenhalt der Regierung. Dafür sei Draghi als Premier unverzichtbar.

Auch Draghis Vorgänger Giuseppe Conte plädierte für die "Fünf Sterne", aktuell stärkste Kraft in Parlament und Regierung, dafür, dass sein Nachfolger den Job als Premier zu Ende bringe.

Aktuell beliebt bei Tagesspiegel Plus:

Nach der italienischen Verfassung wird der neue Staatspräsident - eine Präsidentin gab es bisher nie - dreißig Tage vor dem Ende der Amtszeit der aktuellen gewählt. Die reguläre Amtszeit beträgt sieben Jahre. Der amtierende Präsident Sergio Mattarella leistete seinen Amtseid im Februar 2015. Gewählt wird das neue Staatsoberhaupt in einer gemeinsamen Sitzung der beiden Parlamentskammern, des Abgeordnetenhauses und des Senats.

Dazu kommen 58 Vertreterinnen und Vertreter der Regionen, die in etwa deutschen Bundesländern entsprechen - insgesamt 1009 Personen. Kurz vor Beginn der Wahl starb am Wochenende ein Abgeordneter der "Forza Italia", er wurde am Montag durch eine Nachrückerin ersetzt. So viele Wahlleute wird es diesmal zum letzten Mal geben; wegen der letzten Parlamentsreform dürften es in sieben Jahren 345 weniger sein.

Stimmzelte für Covid-Infizierte

Die Präsidentenwahl braucht traditionell mehrere Wahlgänge und sehr oft Tage. Unter den möglichen Lösungen wird sogar ein "bis", eine zweite Amtszeit für Sergio Mattarella genannt. Der hatte allerdings schon vor einiger Zeit erklärt, er wolle nicht erneut kandidieren. Seine Wiederwahl wäre laut Verfassung möglich. Tatsächlich gab es das aber in der Nachkriegsgeschichte nur einmal: Giorgio Napolitano war von 2006 bis 2015 Staatspräsident, trat aber in der zweiten Amtszeit vorzeitig zurück.

In diesem Jahr ist der Wahlvorgang zusätzlich durch Covid kompliziert und dauert noch länger. Die Wahlleute dürfen nur in Gruppen ins Abgeordnetenhaus, für Covid-Infizierte sind Urnen in Zelten auf dem Parkplatz des Parlaments aufgestellt. Außerdem steht ein Nebengebäude des Parlaments zwischen Palazzo Montecitorio und Palazzo Madama zur Verfügung, den Orten der beiden Parlamentskammern.

Der erste Wähler war Umberto Bossi, Gründer und jahrelang unumstrittener Chef der rechtspopulistisch-rassistischen "Lega Nord". Er kam im Rollstuhl zur Stimmabgabe, den er seit einem Schlaganfall braucht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false