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Neuanfang nach 100 Jahren: Türkei und Armenien auf Annäherungskurs

Die Türkei und Armenien haben eine historische Grundsatzeinigung zur Lösung eines der schwierigsten Probleme der internationalen Politik erzielt. Fast ein Jahrhundert nach dem Tod von mehreren hunderttausend Armeniern bei Massakern im Osmanischen Reich wollen Ankara und Eriwan diplomatische Beziehungen aufnehmen.

Die Türkei und Armenien haben eine historische Grundsatzeinigung zur Lösung eines der schwierigsten Probleme der internationalen Politik erzielt. Fast ein Jahrhundert nach dem Tod von mehreren hunderttausend Armeniern bei Massakern im Osmanischen Reich wollen Ankara und Eriwan diplomatische Beziehungen aufnehmen. Als Ergebnis monatelanger vertraulicher Gespräche unter Schweizer Vermittlung kündigten die beiden Regierungen außerdem einen Dialog über die blutigen Ereignisse des Jahres 1915 an. Ein sofort entbrannter Streit um eine Öffnung der geschlossenen Grenze machte jedoch deutlich, wie schwer der Weg zu einer vollständigen Aussöhnung sein wird.

„Wir wissen, dass es ein langer Prozess sein wird“, sagte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu dem türkischen Nachrichtensender NTV. „Aber jeder lange Prozess beginnt mit einem ersten Schritt.“

Bei den Gesprächen unter schweizerischer Vermittlung einigten sich Türken und Armenier auf zwei Protokolle. In dem einen geht es um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, in dem anderen um den Ausbau der bilateralen Beziehungen auf den verschiedensten Ebenen. Nach der Bestätigung der Protokolle durch die beiden Regierungen sollen die Dokumente den Parlamenten in Ankara und Eriwan zur Zustimmung vorgelegt werden.

Die Protokolle sehen die Öffnung der seit 1993 geschlossenen Grenze zwei Monate nach Inkrafttreten der Beschlüsse vor. Ein „Dialog über die historische Dimension“ soll mit Hilfe einer unabhängigen wissenschaftlichen Prüfung der Archive „Probleme definieren und Empfehlungen formulieren“. Damit gehen beide Länder gemeinsam die Frage an, ob die Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg als Völkermord zu betrachten sind, was Armenien bejaht und die Türkei verneint.

Die Türkei hatte Armenien bereits kurz nach der Unabhängigkeit des Kaukasuslandes im Jahr 1991 anerkannt, doch diplomatische Beziehungen unterhielten beide Staaten bisher nie. Belastet wird das Verhältnis nicht nur durch die Völkermordfrage, sondern auch durch den Konflikt um Karabach: Im Streit um das von Armenien besetzte Gebiet in Aserbaidschan stellte sich die Türkei fest an die Seite der Aserbaidschaner, mit denen sich viele Türken eng verbunden fühlen.

Erst vor wenigen Jahren wurden Charterflüge zwischen Istanbul und Eriwan eingerichtet, ansonsten gibt es kaum Kontakte. Ein Besuch des türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül in Eriwan anlässlich eines Qualifikationsspiels zur Fußball-Weltmeisterschaft zwischen beiden Ländern vor knapp einem Jahr trug entscheidend dazu bei, das Eis zu brechen. Zum Rückspiel in der Türkei Mitte Oktober wird der armenische Staatspräsident Serge Sarkisian erwartet; derzeit steht aber noch nicht fest, ob der Staatschef aus Eriwan tatsächlich in die Türkei reisen wird.

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