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Öffentlicher Dienst: Verdi droht mit Flächenstreik

Der Öffentliche Dienst in Deutschland steht vor dem größten Streik seit 1992. Bereits Ende Januar sollen die Urabstimmungen eingeleitet werden, kündigte der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, an.

Berlin - Stimmen mindestens 75 Prozent der befragten Mitglieder der Dienstleistungsgewerkschaft zu, könnten die Arbeitskämpfe bereits Anfang Februar in Baden-Württemberg beginnen und sich auf große Teile der Bundesrepublik ausdehnen. Auch die Tarifunion des Beamtenbundes (dbb) will streiken, um Arbeitszeitverlängerungen bei den Kommunalbeschäftigten abzuwehren und die Länder zu zwingen, dem neuen Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst beizutreten.

Beim letzten Flächenstreik 1992 ging es um Einkommenserhöhungen. Die ÖTV forderte 9,5 Prozent und erreichte nach 11 Tagen 5,4 Prozent sowie eine Erhöhung der niedrigen Ost-Einkommen. In die jetzt angekündigten «Erzwingungsstreiks» wollen ver.di und dbb Tarifunion Krankenhäuser, Müllabfuhr, Straßenwärter sowie weitere kommunale Betriebe einbeziehen. Betroffen werden voraussichtlich folgende Länder sein: Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hamburg, Bayern, Nordrhein- Westfalen, Saarland, Schleswig-Holstein und Sachsen.

Von der Urabstimmung unter den betroffenen 60 000 ver.di- Mitglieder, die insgesamt bis 10. Februar läuft, erwartet Bsirske klare Mehrheiten. Die Stimmung in den Betrieben und Verwaltungen sei schlecht, die Kampfbereitschaft hoch. «Wir werden uns gegebenenfalls auch auf einen lang anhaltenden Streik einstellen.» Nach der Kündigung der Arbeitszeitregelung in den Kommunen und der Weigerung der Länder, den neuen Tarifvertrag zu akzeptieren, bleibe den Gewerkschaften keine andere Wahl, als in den Arbeitskampf zu gehen. «Der Rubikon ist überschritten», sagte Bsirske. Der Arbeitskampf werde auch auf die Beamten ausstrahlen, die ebenfalls ständig Einschnitte hinnehmen mussten.

Im Öffentlichen Dienst gilt seit 1. Oktober ein völlig neuer Tarifvertrag, der den überholten Bundesangestelltentarif (BAT) ablöste und leistungsbezogene Elemente bei der Bezahlung einführte. Allerdings gilt der Tarifvertrag erstmals nicht flächendeckend, da die Länder ausgeschert sind. Alle Gespräche mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) führten bislang zu keinem Ergebnis. «Unsere Geduld ist am Ende», sagte Bsirske.

Beim Streit mit den Kommunen geht es um die Arbeitszeit. Die kommunalen Arbeitgeber wollen von einer Öffnungsklausel im neuen Tarifvertrag Gebrauch machen und die Arbeitszeit im Westen von 38,5 auf das Ostniveau von 40 Wochenstunden anheben. Den Anfang machten Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hamburg.

Längere Arbeitszeiten bei weniger Geld seien in der jetzigen Lage definitiv das Falsche, sagte Bsirske. Der Vorsitzende der dbb Tarifunion, Frank Stöhr, betonte: «Jede Arbeitszeitverlängerung bedeutet Stellenabbau.» Nach Rechnung von Bsirske bedeuten 1,5 Wochenstunden mehr 4 Prozent weniger Arbeitsplätze. Dies wären allein in Niedersachsen 5000 Stellen weniger. Da sich in Deutschland etwa 6 Millionen Arbeitsplätze am Öffentlichen Dienst orientierten, stünden 400 000 zur Disposition. Das wäre jeder 25. Arbeitsplatz. Zudem gehe es auch um Ausbildungsplätze. Den Arbeitgebern müssten deshalb Grenzen gesetzt werden. (tso/dpa)

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