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Politik: Wenn Kritik kritisch wird

DIE FDP IN NOT

Von Giovanni Di Lorenzo

In die immer neuen Enthüllungen über Spendenpraktiken der Liberalen und Mitwisser des berüchtigten MöllemannFlugblatts mischen sich Fragen, die an die Substanz der FDP gehen. Muss die Partei völlig neu ausgerichtet werden, weil sie im Lichte ihres schlechten Wahlergebnisses alles falsch gemacht hat, was nur falsch gemacht werden konnte? Ist letztlich nicht der Vorsitzende Guido Westerwelle (und nicht sein ehemaliger Vize Jürgen Möllemann) für das Debakel verantwortlich? Diese Fragen sind unvermeidlich, und die Kritik an der FDP ist so nahe liegend, dass sie schon wohlfeil klingt. Es schwingt da jedoch ein Ton mit, der auch einiges über jene Politprofis in den Parteien und in den Medien verrät, die jetzt die Liberalen so vehement verurteilen, etwas hämisch und vor allem erleichtert: Ein Glück, dass diese FDP nicht erfolgreich war! Was ja vielleicht auch heißt: Wäre diese FDP erfolgreich gewesen, hätten wir uns ganz schön umstellen müssen!

Die FDP hat riesige Fehler gemacht – aber eben auch ein paar richtige Fragen gestellt. Dazu zählt nicht die verlogenste, ob man in Deutschland etwa nicht die Politik Israels oder einen Vertreter des Zentralrats der Juden kritisieren dürfe. Das war reine Infamie. Berechtigt waren allerdings drei Erkenntnisse Westerwelles, als er seinen Vorgänger Gerhardt überholte: Erstens, mit der grauen Honoratioren-Partei der ersten Jahre in der Opposition konnte er keine Wahl mehr gewinnen. Das gilt übrigens auch heute noch. Zweitens: Er eignet sich als Identifikationsfigur für jüngere Wähler besser als, sagen wir, die ehemalige Juso-Vorsitzende Andrea Nahles oder die frühere CDU-Familienministerin Claudia Nolte. Auch das gilt heute noch, wenngleich die New-Economy-Generation sich inzwischen verflüchtigt hat. Drittens, in Deutschland gibt es Millionen Bürger, die weder von der Politik noch von den Medien richtig wahrgenommen werden.

Besonders dieser Erkenntnis, aber nicht nur dieser, folgten die falschen Schlüsse. Denn die werbewirksame Selbstinszenierung wird zum Bumerang, wenn sie politische Inhalte nicht mehr transportiert, sondern kaschiert. Die Hoffnung auf Millionen neuer Wähler berauschte nicht nur Möllemann derart, dass er – siehe die Flugschrift gegen Friedman und Scharon – mit den übelsten Ressentiments spielte, anstatt sich mit ihnen auseinander zu setzen.

Von dieser besonders zynischen Variante des Populismus muss die FDP unwiderruflich Abschied nehmen. Alles andere liegt auf der Hand. Wenn es der FDP selbst nach dem Sündenfall der CDU nicht gelungen ist, dem Virus illegaler Spendensammlung zu widerstehen, könnte sie wenigstens überzeugender aufklären als die anderen Ertappten. Westerwelles Glaubwürdigkeit, wohl auch sein politisches Überleben, wird davon abhängen, ob seine Selbstverteidigung, weder von der Flugschrift noch von den Spenden etwas gewusst zu haben, den Untersuchungen standhalten kann. Und ob er eigene politische Fehler eingestehen kann.

Die FDP hat noch Kapital, wenn auch zurzeit nicht besonders viele Köpfe. Aber die Werte des Liberalismus – bürgerliche Freiheiten, Eigenverantwortung, Entbürokratisierung – sind alles andere als Auslaufmodelle. SPD und Grüne, auch die Union, haben im Wahlkampf vorgeführt, wie wenig Veränderungen sie ihren Wählern zumuten – und wie wenig Freiheiten sie ihnen lassen können. Gerade diese Regierung ist ein sozialdemokratisches Programm – viel Platz also für eine von Möllemann und dem Spendensumpf gereinigte FDP. Wer sie trotzdem loswerden will, offenbarte auch: Wir dulden keine Störenfriede – beim Weiterwursteln.

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