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Brandenburg: Filmen oder Streifen?

Die PDS will die Videoüberwachung in Brandenburg abschaffen und zweifelt an Zahlen des Innenministers

Potsdam - Die Linkspartei-Fraktion im Brandenburger Landtag fordert den Abbau der Überwachungskameras auf öffentlichen Plätzen in Brandenburg. „Aufwand und Nutzen stehen in keinem Verhältnis“, sagte der PDS-Innenpolitiker Hans-Jürgen Scharfenberg am Freitag in Potsdam. „Es ist offensichtlich, dass es im Land Brandenburg keine geeigneten Standorte gibt, wo sich das lohnt.“ Der Landtag wird in Kürze entscheiden, ob die Videoüberwachung verlängert wird, die auf Initiative von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) 2001 auf den Bahnhofsvorplätzen in Potsdam, Erkner, und Bernau sowie vor einer Diskothek in Rathenow testweise installiert worden war.

Das Innenministerium war in einem Abschlussbericht zu dem Modellprojekt zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kriminalität an den vier Plätzen tatsächlich zurückgegangen war, seit dort die Videokameras montiert worden waren – von 544 Straftaten im Jahr 2001 auf 394 Straftaten im Jahr 2004.

Scharfenberg verweist jedoch darauf, dass im gleichen Zeitraum auch die Gesamtkriminalität im Land zurückgegangen war. „Für die 255 000 Euro, die das jährlich kostet, könnte man sechs Polizeibeamte einstellen“, sagte Scharfenberg, der auf die kleine Zahl der Delikte und auf Verdrängungseffekte hinwies. So sei die Kriminalität vor der Diskothek in Rathenow von 46 Straftaten im Jahr 2001 auf 12 Straftaten im Jahr 2004 gesunken, aber zugleich vor einer anderen Diskothek gestiegen.

Verwundert äußerte sich Scharfenberg in diesem Zusammenhang darüber, dass das Innenministerium in einem Bericht, der aus dem Jahr 2001 stammt, für den Rathenower Standort für das Jahr 2000 sogar 280 Straftaten angegeben hatte. Im Jahr 2001 waren es vor Einführung der Videoüberwachung nur 46 Straftaten – laut einem anderen Bericht des Innenministeriums aus dem Jahr 2003. Der Verdacht der Opposition: Das Innenministerium hat im Jahr 2001 mit den Kriminalitätszahlen für die Videostandorte getrickst.

Scharfenberg verwies auch darauf, dass in Potsdam die Kriminalität vor dem Hauptbahnhof rückläufig sei, aber dafür im benachbarten Wohngebiet Zentrum-Ost und am Bahnhof Griebnitzsee stark gestiegen sei.

Auch der Grünen-Landeschef Axel Vogel bezweifelt die Kosten-Nutzenrelation der Videoüberwachung. Und: „Der erhoffte durchschlagende Erfolg bei der Prävention von Straftaten ist ausgeblieben“ sagte VOGEL. Am Potsdamer Bahnhof steige die Kriminalität trotz Videoüberwachung seit 2004 wieder. Auch die Grünen finden, dass „der an anderen Orten verzeichnete Rückgang“ größtenteils „mit einer allgemein in Brandenburg festzustellenden sinkenden Kriminalitätsbelastung“ korrespondiert.

Die Polizeigewerkschaften im Land stehen der Videoüberwachung in der gegenwärtigen Form auch skeptisch gegenüber. Der Bund der Kriminalbeamten forderte statt der Filmerei mehr Streifenpolizisten.

Im Landtag, der über eine Fortsetzung der Videoüberwachung entscheiden muss, wird das Thema in der nächsten Woche beraten. Nach Einschätzung von Innenminister Jörg Schönbohm hat sich das Instrument bewährt. „Ich gehe davon aus, dass die Videoüberwachung verlängert wird und auch eine Aufzeichnung ermöglicht wird“, sagte er gestern. Bislang werden die Überwachungsbilder nicht aufgezeichnet, sitzen Beamte vor den Monitoren. SPD- und CDU sind sich über eine Verlängerung bereits einig, Dissens besteht nur noch in der Frage, wie lange die Überwachungsfilme gespeichert werden sollen.

Ein Gutachten im Auftrag des Innenministeriums hat zwar eine positive Bilanz der Videoüberwachung in Brandenburg gezogen. Allerdings wies es auf enorme Probleme hin. „Als kritische Komponenten erwiesen sich die Knappheit des Personals und der Einsatzmittel sowie die Motivation des Personals“, heißt es darin. „Als kritischer Faktor erwies sich auch die Auswahl der Kriminalitätsschwerpunkte, die allesamt recht kleine Fallzahlen aufweisen.“ Das bisherige Verfahren sei „personal- und zeitintensiv“, kritisierte auch die SPD-Innenpolitikerin Britta Stark, die die Videoüberwachung aber befürwortet. Scharfenberg hält es hingegen für offensichtlich, dass die Videokameras für den CDU-Innenminister als Symbol eine „große Rolle“ spielen: „Weil nicht sein darf, dass ein konservativer Innenminister so etwas nicht hat."

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